Liebe Gemeinde!
In vielen Gemeinden wird am heutigen Sonntag das Erntedankfest gefeiert. Hier in Ellhofen feiern wir es erst in zwei Wochen, gemeinsam mit der Kinderkirche und dem Kindergarten. Trotzdem habe ich mich dafür entschieden, heute morgen den für das Erntedankfest vorgesehenen Predigttext auszulegen. Er steht im 2. Brief des Apostels Paulus an die Korinther, im 9. Kapitel. Dort schreibt Paulus:
„6 Denkt daran: Wer spärlich sät, wird nur wenig ernten. Aber wer mit vollen Händen sät, auf den wartet eine reiche Ernte. 7 Jeder soll so viel geben, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat. Es soll ihm nicht leid tun, und er soll es auch nicht nur geben, weil er sich dazu gezwungen fühlt. Gott liebt fröhliche Geber!
8 Er hat die Macht, euch so reich zu beschenken, daß ihr nicht nur jederzeit genug habt für euch selbst, sondern auch noch anderen reichlich Gutes tun könnt. 9 Dann gilt von euch, was in den Heiligen Schriften* steht: »Großzügig gibt er den Bedürftigen; seine Wohltätigkeit wird in Ewigkeit nicht vergessen werden.«
10 Gott, der dem Sämann Saatgut und Brot gibt, wird auch euch Samen geben und ihn wachsen lassen, damit eure Wohltätigkeit eine reiche Ernte bringt. 11 Er wird euch so reich machen, daß ihr jederzeit freigebig sein könnt. Dann werden viele Menschen Gott wegen der Gaben danken, die wir ihnen von euch übergeben. 12 Dieser Liebesdienst soll ja nicht nur die Not der Gemeinde in Jerusalem lindern, sondern darüber hinaus viele Menschen zum Dank gegen Gott bewegen. 13 Wenn ihr euch in dieser Sache bewährt, werden die Brüder und Schwestern in Jerusalem Gott dafür preisen. Sie werden ihm danken, daß ihr so treu zur Guten Nachricht* von Christus steht und so selbstverständlich mit ihnen und mit allen teilt. 14 Und weil sie sehen, daß Gott euch in so überreichem Maß seine Gnade erwiesen hat, werden sie für euch beten und sich nach euch sehnen. 15 Laßt uns Gott danken für sein unsagbar großes Geschenk!“
Vordergründig, liebe Gemeinde, redet unser Predigttext weniger vom Danken – das kommt erst gegen Ende des Textes – sondern vom Geben und Schenken. Paulus geht es hier um eine ganz konkrete Sache, nämlich um die Geldsammlung für die verarmte und in Not geratene Jerusalemer Urgemeinde. Auf dem Apostelkonzil in Jerusalem hatte man beschlossen, dieser Gemeinde, von der doch das Evangelium von Jesus Christus seinen Ausgang nahm, durch eine groß angelegte Geldsammlung zu helfen. Auf seiner dritten Missionsreise hat Paulus dann diesen Auftrag in die Tat umgesetzt und in allen heidenchristlichen Gemeinden geworben und um Spenden für Jerusalem gebeten. Vom Geben und Schenken ist also zunächst die Rede, weniger vom Danken.
Und dies kommt uns auch ganz gelegen. Den meisten von uns fällt es doch schon seit Jahren leichter, angesichts der aktuellen Nachrichten aus aller Welt vom Geben und Teilen zu reden und zu hören statt vom Danken. Spendenaufrufe hier, Brot für die Welt da, Diakoniesammlung heute, Arbeitslosenhilfe morgen. Armut in Deutschland, soziale Randgruppen, Aussiedler, Asylanten, Ausländer, Flüchtlinge. Mit allen soll man teilen, allen soll man etwas abgeben vom hart verdienten Geld. Überall wird einem, wie der Landsmann sagt, das Geld aus der Tasche gezogen. Selbst unsere Landwirte reden im Zeitalter chronischer EG-Überschüsse lieber von gerechten Preisen als vom Erntesegen oder gar vom Dank für diesen Segen. Beim vielen Gerede über Teilen und Abgeben, bleibt einem meist der Dank im Halse stecken. Paulus sagt:
„6 Denkt daran: Wer spärlich sät, wird nur wenig ernten. Aber wer mit vollen Händen sät, auf den wartet eine reiche Ernte. 7 Jeder soll so viel geben, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat. Es soll ihm nicht leid tun, und er soll es auch nicht nur geben, weil er sich dazu gezwungen fühlt. Gott liebt fröhliche Geber!
Was Saat und Ernte bedeuten, das braucht man in Ellhofen sicher niemandem zu erklären. Wer wenig aussät, wird auch wenig einfahren. Aber, liebe Gemeinde, was hat das mit der erbetenen Spende für Jerusalem zu tun? Was haben Saat und Ernte mit den vielen Aufrufen zum Spenden und Teilen zu tun, die auch uns täglich erreichen? Paulus sieht einen doppelten Zusammenhang:
Zum einen wird die Gemeinschaft zwischen den Gebenden und den Nehmenden gestärkt. Die Empfänger, wie auch alle anderen, die von dieser guten Tat hören, loben Gott und wachsen so im Bekenntnis zu ihm – ein Ziel, das allen Christen am Herzen liegen muß und alle in ihrem Glauben stärkt. Ich erinnere mich gut an die Szene, als wir Christen in der Türkei eine größere Spende übergeben haben. Das Erleben echter Glaubensgemeinschaft war selten in meinem Leben größer.
Zum anderen erwächst aus dieser Gabe ein echter Dank, der zunächst den Menschen gilt, die etwas gegeben haben. Sie entdecken dann, worauf sie eigentlich problemlos verzichten können, ohne zu verarmen. Manche Menschen machen die überraschende Erfahrung, daß sie jeden Monat DM 50.- für ein Patenkind in der Dritten Welt geben und trotzdem ohne Mangel weiterleben können.
Oft kann man dann den Satz hören: Uns geht es doch so gut! Wir haben doch so viel. Da kann ich leicht ein wenig abgeben. – Und genau das ist das Problem, liebe Gemeinde!
Denn leider ist es bei uns Menschen so, daß aus dieser behaglichen Erfahrung, wie gut es uns geht, eben nicht von selbst die Bereitschaft zum Teilen erwächst, schon gar nicht die innere Bereitschaft. Höchstens die Bereitschaft, sein Gewissen etwas zu beruhigen.
Denn von sich aus gibt der Mensch erfahrungsgemäß nur ungern etwas. Die großen Reichen dieser Welt sind als die sonderbarsten Geizkragen in die Geschichte eingegangen. Unsere Kinder und Jugendlichen werden dabei an Dagobert Duck denken, der in seinen Geldspeichern Milliarden angehäuft hat, aber zu geizig ist, seinen drei Neffen ein Eis zu spendieren. Da gibt es Geschichten von Milliardären, die mit eingewickeltem Frühstücksbrot in ihr spartanisch eingerichtetes Büro gingen, um von dort aus neue Millionen zu den bisherigen zu häufen. Wer den Pfennig nicht ehrt! …
Nach den Gesetzen unserer Welt wird das Geld nicht mehr, wenn man es verschwendet. Nach den Gesetzen der Gottesherrschaft aber können wir nur durch Verschwenden reich werden. Geizkragen können an ihren Fingernägeln kauen und in Angst vor dem Verlust ihres mühsam angehäuften Vermögens Magengschwüre bekommen. „Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer es aber verliert um meinetwillen, der wird es erhalten“, sagt Jesus.
Natürlich glauben wir ihm nicht, liebe Gemeinde. Wir Geizkragen wissen es ja immer besser. „Nichts wird einem geschenkt“, heißt es in unserer Welt. Haben Sie schon einmal eine Erbstreitigkeit miterlebt? Wie aus friedlich zusammenlebenden Geschwistern beim Tod der Eltern auf einmal wütende Hyänen und Kampftiger geworden sind, die einander nicht einmal das Hemd auf dem Leibe gönnen wollen?
„Nichts wird einem geschenkt!“ Man muß schon Knöpfe auf den Augen haben, um nicht zu sehen, daß unsere selbstsüchtigen Methoden von Raffen und Habenwollen in Traurigkeit, Überdruß und Verarmung führt. Nie war die Lebensleere der Menschen so schlimm und so weit verbreitet wie heute. – Mitten hinein in unsere Leere redet Paulus ein anderes Wort:
10 Gott, der dem Sämann Saatgut und Brot gibt, wird auch euch Samen geben und ihn wachsen lassen, damit eure Wohltätigkeit eine reiche Ernte bringt. 11 Er wird euch so reich machen, daß ihr jederzeit freigebig sein könnt. Dann werden viele Menschen Gott wegen der Gaben danken, die wir ihnen von euch übergeben. 12 Dieser Liebesdienst soll ja nicht nur die Not der Gemeinde in Jerusalem lindern, sondern darüber hinaus viele Menschen zum Dank gegen Gott bewegen. 13 Wenn ihr euch in dieser Sache bewährt, werden die Brüder und Schwestern in Jerusalem Gott dafür preisen. Sie werden ihm danken, daß ihr so treu zur Guten Nachricht* von Christus steht und so selbstverständlich mit ihnen und mit allen teilt. 14 Und weil sie sehen, daß Gott euch in so überreichem Maß seine Gnade erwiesen hat, werden sie für euch beten und sich nach euch sehnen. 15 Laßt uns Gott danken für sein unsagbar großes Geschenk!“
Das meint: Nur Beschenkte können schenken, nur Begabte können geben! Wer von Gott reich gemacht worden ist, wer erlebt hat, wie er von Gott beschenkt wurde, der kann anfangen, von sich selbst wegzusehen und an andere weiterzugeben.
Damit uns dies gelingen kann, muß alles damit anfangen, daß unser Leben solide gesichert wird. Wie kann so etwas gehen, werden Sie mich fragen. Es beginnt damit, daß wir mit unserem Leben und unseren Sorgen in die Hände Jesu Christi kommen. Diese Hände tragen keine kostbaren Ringe, sondern Schwielen und Wunden. Es ist das Zeichen, daß diese Hände nie anders handeln können, als Liebe zu schenken – bis hin zum Opfer des Lebens für die Feinde.
Liebe Gemeinde, aus den Händen Jesu kommt der Friede für unser Leben. Solange diese Hände für uns sorgen, brauchen wir uns um unser Leben keine Sorgen zu machen. Wir nehmen von Jesus, was er uns gibt, und geben weiter. Je mehr wir weitergeben, desto mehr geht durch unser Leben hindurch.
Nirgends sonst wird uns dieser Zusammenhang zwischen dem, was uns Jesus Christus gibt und dem, was wir anderen geben können, klarer als beim Abendmahl. Wenn wir nun das Abendmahl feiern, dann tun wir das als von Gott Beschenkte, die alles von ihm erhalten haben. Wir tun es als seine Gemeinde, die sich von ihm beauftragen und begaben läßt. Und wir tun es mit den Worten des Paulus: 15 Laßt uns Gott danken für sein unsagbar großes Geschenk!
Amen.