Von Sendepausen und anderen Feiertagsprogrammen

Koch meint…

Also dass Ostern jemals so spät gewesen wäre wie in diesem Jahr, daran kann ich mich nicht entsinnen. Wie denn auch? Schließlich ist weder im vergangenen noch bislang in diesem Jahrhundert ein Ostersonntag auf den 24. April gefallen. Und Ostern am 25. April hat’s zum letzten Mal 1943 gegeben. Später im Jahr geht’s nimmer. Aber das war noch ohne mich.

An was ich mich dagegen noch sehr gut erinnern kann, sind die Karfreitage meiner Kindertage. Bei denen es übrigens egal gewesen ist, ob sie nun im März oder im April auf dem Kalender gestanden haben. Mit Spielen im Freien war da jedenfalls nichts, von ein bisschen lautlosem Schaukeln einmal abgesehen. Morgens im Gottesdienst hat die Frau des Pfarrers schwarz getragen, als wäre ein naher Verwandter gestorben. Zum Mittagessen kam „Blitzkuchen“, aber nie Fleisch auf den Tisch. Und nachmittags um drei hat sich die Familie ums Radiogerät versammelt, um – nichts zu hören. Denn pünktlich zur Sterbestunde Jesu war Sendepause, und das eine ganze Viertelstunde lang. Was, wenn ich heute davon erzähle, mir die Jüngeren kaum glauben wollen. Und doch ist es genau so gewesen.

Übrigens ist die Erinnerung an damals nichts, was mich in irgendeiner Weise beschweren würde. Im Gegenteil: So wie der Karfreitag in den fünfziger und sechziger Jahren war, war er auch und gerade für uns als Kinder gut. Was ich daran merke, dass ich ihn, so wie er damals gewesen ist, vermisse, und zwar inklusive Sendepause. Die ich mir dann halt auf andere Weise gönne, nämlich bei einer Kirchenmusik zur Sterbestunde Jesu. Schön, dass es so etwas gibt!

Übrigens würde mir auch nichts fehlen, wenn am Ostersamstag 2011 in Stuttgart nicht das Frühlingsfest eröffnet und der VfB nicht zuhause gegen den Hamburger Sportverein spielen würde. Wobei die Kirche solchen Aktivitäten trotzdem nicht die gelbe Karte zeigen sollte. Weil man die Uhr nicht zurückdrehen und Sendepausen welcher Art auch immer nicht erzwingen, sondern sie allenfalls anbieten kann. So wie am Karfreitagnachmittag die Passionsmusik.

Und wie am Ostersonntagmorgen die Auferstehungsfeier auf dem Friedhof. Die ich übrigens schon an vielen Orten und bei jedwedem Wetter miterlebt habe – bei Sonne, Regen, Schnee. Und die für mich, so oder so, par excellence für Ostern steht. Weil ich den Lebenden gerne bei den Toten suche, wohl wissend, dass er hier nicht mehr ist: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“ (Lukas 24,5f.) Aber auferstanden eben auch für die, die da in ihren Gräbern liegen, so wie irgendwann auch ich.

Und dann schaue ich noch einmal in den Kalender und stelle fest: Ich müsste 85 Jahre alt werden, um Ostern ein zweites Mal ähnlich spät zu erleben. Aber ob es mich am 25. April 2038 noch gibt, ist ja nun wirklich nicht ausgemacht. Weshalb das Ostern jetzt zumindest für mich wahrscheinlich einmalig ist. Besonders ist es ja sowieso, und das jedes Jahr. Weil es das Fest des Lebens ist. Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!

Das meint Koch. Und was meinen Sie?

Geschmacksverirrungen gehören nicht in die erste, sondern in die letzte Reihe. Deshalb platziere ich den ARD-Slogan für krimigeschwängerte Fernsehfeiertage 2011 hier an dieser Stelle: „Mörderisch gute Ostern – Ab Gründonnerstag hier im Ersten!“ Und dazu muss man nun doch wirklich nichts mehr meinen, oder?


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