In memoriam Martin Friz

Koch meint…

Der Stuttgarter Diakoniepfarrer Martin Friz ist tot. Nach langer Krankheit sei er am Mittwoch im Alter von 67 Jahren gestorben, heißt es in einer Pressemitteilung. Nach langer Krankheit? Das habe ich so nicht gewusst. Im Gegenteil: Bei einer kurzen Begegnung vor einigen Wochen hatte ich den Eindruck, Martin Friz würde besser aussehen als zu seiner aktiven Zeit. Damals stand ihm oft das ganze Leid der Welt ins Gesicht geschrieben. Im Ruhestand schien das wie weggewischt. Wie man sich doch täuschen kann!

Apropos Gesicht: Nicht zuletzt das wird mir von Martin Friz in Erinnerung bleiben. Graues Haar, aber immer noch spätachtundsechzigermäßig lang getragen, genau so wie der Bart. Wie einen typischen Pfarrer hat ihn das alles nicht aussehen lassen. Und vielleicht auch nicht das Lächeln, das er irgendwie stets auf den Lippen hatte und das sein Gesicht weich gemacht hat. So wie seine Stimme warm und gewinnend gewesen ist. Und – zumindest meiner Erinnerung nach – immer ruhig, auch wenn Martin Friz am Kämpfen war für die, die ihm ganz besonders am Herzen lagen.

Mit „Engel der Armen“ überschreibt die Bildzeitung ihren Nachruf auf den Toten. Darüber hätte Martin Friz wohl nur gelacht. Aber dass er der Erfinder, der „Vater“ sogar der Vesperkirche gewesen ist, steht außer Frage. Über 25 davon gibt es in der Zwischenzeit in Baden-Württemberg. Dabei hatte alles klein angefangen – damals 1995 in der Stuttgarter Leonhardskirche. Und auch nicht ganz unumstritten. Schließlich ist man es nicht gewohnt gewesen, dass in einem Kirchengebäude anderes vonstatten ging als ein Gottesdienst. Und auch die, welche da ein- und ausgegangen sind in der ersten Vesperkirche, waren nicht die typische kirchliche Klientel. Und sind es auch heute noch nicht, aber inzwischen an, wie gesagt, über 25 Orten herzlich willkommen.

Wobei es Martin Friz und seinen vielen ehrenamtlichen Helfern immer um mehr gegangen ist als nur um das Bereitstellen von Essen und einem Dach über dem Kopf in der kalten Jahreszeit. Menschliche Wärme und Akzeptanz sind ihm fast noch wichtiger gewesen, was er selber rückblickend so ausgedrückt hat: „Wir wollten nicht über die Menschen reden, sondern mit den Menschen und sie nicht als ‚Fälle’ behandeln, sondern von Gott geliebten Geschöpfen begegnen.“ Ich denke, das ist ihm gelungen, genau so wie es Martin Friz gelungen ist, das Thema Armut in die Mitte des gesellschaftlichen Bewusstseins zu holen – leider nicht mit dem politischen Erfolg, den er sich sicher erhofft hatte.

Und dann noch einmal das Wort Gesicht. Schließlich hat Martin Friz seiner und unserer Kirche ein zutiefst menschliches Gesicht gegeben, ihren Anspruch und ihre Wirklichkeit vereint und ihr so über die wenigen Wochen der eigentlichen Vesperkirchenzeit hinaus Glaubwürdigkeit verliehen. Anders ausgedrückt: Indem er gerade für die geringsten Schwestern und Brüder Jesu dagewesen ist, hat Martin Friz die Bibel ins Leben geholt und nicht zuletzt deshalb, wie der Stuttgarter Stadtdekan Hans-Peter Ehrlich mit Recht sagt, „Diakoniegeschichte geschrieben.“

Die warme Stimme, das Lächeln auf den Lippen, der leicht wilde Bart und das ebensolche Haar, ja, dieser ganze unkonventionelle Typ Pfarrer und Christenmensch mit Herz wird fehlen, und das vor allem denen, die im Schatten sind. Aber sein Erbe ist bestellt beziehungsweise sein Werk wird weitergehen. Schade, dass Martin Friz das nicht noch ein bisschen länger miterleben darf! Nun muss er halt aus dem Himmel nach unten auf die Vesperkirchen schauen. Aber der Blick nach unten ist ja schon immer seine eigentliche Sache gewesen.

Das meint Koch. Und was meinen Sie?


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