Tante Emma und Onkel Kim

Koch meint…

Ein Kollege hat mir einen Link geschickt. Den hab ich dann gleich angeklickt – und für zweieinhalb Minuten, der Dauer des sich dabei auftuenden Films, bin ich aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen.

Südkorea. Eine Supermarktkette überlegt, wie sie zum Marktführer werden kann. Sie weiß: Die Koreaner arbeiten hart, haben kaum freie Zeit, hassen das Einkaufen deshalb wie die Pest. Was tun? Einfach die Supermarktregale samt Inhalt abfotografieren. Danach werden die Bilder in Originalgröße beispielsweise an U-Bahn-Stationen aufgestellt und elektronisch vernetzt. Jetzt kann die Shoppingtour beginnen. Aber natürlich nicht mit dem Einkaufswagen – es sind ja keine Waren da –, sondern mit dem Smartphone in der Hand. Dieses Phone hält man an die Fotos von Müsli, Schnitzel, Salat oder Obst. Schwupps wird der Code eingescannt, die Bestelldaten an den eigentlichen Supermarkt übermittelt, und wenn man abends nach Hause kommt, steht der Einkauf mehr oder weniger schon vor der Tür. Die Sache ist übrigens ein gigantischer Erfolg: Der Onlineumsatz der Supermarktkette ist enorm gestiegen, und fast, wenn auch noch nicht ganz hat sie ihr Ziel erreicht, nämlich Marktführer zu werden.

Wie gesagt, den Link hat mir ein Kollege geschickt, und ich bin für zweieinhalb Minuten aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Weil ich selber auf eine solche Idee nicht einmal im Schlaf gekommen wäre: digital einkaufen in einem eigentlich nicht vorhandenen, aber doch irgendwie real existierenden Supermarkt. Weil die Sache für mich als Techniklaien technisch nachgerade faszinierend ist. Und weil – und das vor allem – das nicht etwa Zukunft, sondern zumindest in Südkorea schon Wirklichkeit ist.

Wobei man diese Wirklichkeit ja noch weiterspinnen und sie sich nicht zuletzt auch für die Kirche ausmalen kann. Die ja ebenfalls, wenn auch ohne tatsächlichen Inhalt als Foto am Bahnhof oder der Bushaltstelle stehen könnte und ihre Dienstleistungen smartphonetauglich anbieten würde. Einmal Segen, zweimal Vergebung und dreimal Heiliger Geist angeklickt – für Kirchensteuerzahler Lieferung frei Haus! Spart ungeheuer Zeit, macht den sonntäglichen Gottesdienstbesuch überflüssig und lässt Raum für das, was wirklich wichtig ist, nämlich – siehe Südkorea! – das Bruttosozialprodukt zu steigern.

Was so hoffentlich nie Wirklichkeit wird. Weshalb ich auch schon hinter die geschilderte Gegenwart ein Fragezeichen setze. Denn das digitale Shoppen an der U-Bahn-Station ist zwar zweifellos höchst innovativ. Aber nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch gut. Hier jedenfalls bleibt der Mensch auf der Strecke, auch wenn man ihm scheinbar Gutes tun will. Der Gewinn wird an andere abgeführt.

Nun will ich will nicht mit einem Hohelied auf den Tante-Emma-Laden schließen. Auch wenn ich vor ein paar Tagen gelesen habe, dass der wieder im Kommen sei. Aber zwischen Tante Emma und Onkel Kim muss es doch irgendwo einen Mittelweg geben, der zeitgemäß u n d menschlich ist. Und den würde ich dann gerne für mich gehen. Das Smartphonesteak – und auch den Smartphonesegen – brauch ich jedenfalls nicht.

Das meint Koch. Und was meinen Sie?

Damit Sie sich Ihre eigene Meinung bilden können, ist hier noch der besagte Link: http://www.forschungs-blog.de/innovation-durch-nachdenken/. Viel Spaß beim Shoppen à la Südkorea – oder eben auch nicht!


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1 Gedanke zu „Tante Emma und Onkel Kim“

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