Koch meint…
Also in Sachen Papst halte ich persönlich es mit Martin Luther: Wir brauchen eigentlich keinen. Weil wir „aus der Taufe gekrochen“ selber Papst sind. Und weil es nicht göttliches Gebot, sondern „Menschengedicht“ ist, dass ein Einzelner das Haupt der ganzen Christenheit sein soll. Siehe „An den christlichen Adel deutscher Nation“ beziehungsweise „Die Schmalkaldischen Artikel“!
Was nun aber nichts daran ändert, dass es einen Papst gibt und der zu Besuch nach Deutschland kommt. Und da ist zunächst einmal Gastfreundschaft angesagt. Gegen die möglicherweise bis zu einhundert Bundestagsabgeordnete auf unerträgliche Weise verstoßen, wenn sie der Rede von Benedikt XVI. im Berliner Reichstagsgebäude tatsächlich fernbleiben. Während die Bildzeitung ins andere Extrem verfällt und nach dem Motto „Kitsch as Kitsch can“ den Papst mit einem Riesenposter begrüßt. Von seiner eigenen „Wir sind Papst!“-Schlagzeile des Jahres 2005 ist der Boulevard offensichtlich bis heute beschwipst.
Dabei wäre doch gerade Nüchternheit das Gebot der Stunde. Oder hat man in besagten Redaktionsstuben schon wieder vergessen, von was für einem Skandal die katholische Kirche gerade eben erst erschüttert worden ist? Und wie viele ihrer Mitglieder sich an der Verweigerungshaltung des Vatikans in Sachen Empfängnisverhütung oder Zölibat reiben? Ganz abgesehen davon, dass ein Kirchenmann per se zum Popstar nicht taugt und der Heiligenschein für Gottes Bodenpersonal ein unpassendes Accessoire darstellt. Was übrigens auch für evangelische Kirchenfrauen gilt.
Wobei ich davor weder die Augen verschließen noch es kritisieren will, dass für nicht wenige katholische Glaubensgeschwister das Verhältnis zu ihrem Papst etwas hoch Emotionales hat, und das nicht nur in Polen im Blick auf Johannes Paul II. selig. Ich kann mich noch gut an jenen Sonntagnachmittag erinnern, als ein Freund von mir mit Tränen in den Augen angelaufen kam: „Der Heilige Vater ist tot!“ Es war der 3. Juni 1963 und ich ein gut evangelisches Kind. Weshalb ich weder das mit dem Heiligen
Vater noch die Tränen verstehen konnte. Sie waren um Johannes XXIII. vergossen. Seither weiß ich, dass ein Papst Herzenssache sein kann.
Zurück zur Gastfreundschaft! Auf deren glattem Parkett können offenbar nicht nur Abgeordnete ohne Kinderstube und vom Papsthype befallene Journalisten, sondern auch wohlmeinende protestantische Kirchenobere ausrutschen. Jedenfalls hätte ich Martin Luther dieser Tage gerne anders als „stets gut katholisch“ dargestellt gesehen. Wobei man zur Ehrenrettung von Nikolaus Schneider, dem EKD-Ratsvorsitzenden, sagen muss, dass er selber sich differenzierter geäußert hat, nämlich so: „Luther war auch nach dem päpstlichen Bann gut katholisch, nur eben nicht römisch-katholisch, sondern evangelisch-katholisch. Es war derselbe Luther.“ Die Stuttgarter Zeitung vom Samstag hat daraus die Überschrift „Luther war stets gut katholisch“ gemacht, und mich hat beinah der Schlag getroffen.
Papst Benedikt XVI. kommt nun also nach Deutschland. Freuen wir uns über die Aufmerksamkeit, die unser christlicher Glaube und die Kirchen insgesamt durch diesen Besuch erhalten! Und hoffen wir, dass der hohe Gast nicht zuletzt ein bisschen Ökumene im Reisegepäck hat! Weil wenn er dann wieder geht, nimmt er die Herausforderungen, vor denen das Christentum auch hierzulande steht, sicher nicht mit. Diese Herausforderungen aber lassen sich wohl kaum mit einem „Wir sind Papst!“, sondern nur gemeinsam bewältigen. An uns „Evangelisch-Katholischen“ soll’s nicht liegen.
Das meint Koch. Und was meinen Sie?