Kabinenpredigt

Koch meint…

Die Kabinenpredigt ist so alt wie der Fußball selber. In der hier vorliegenden Form aber bringt sie es gerade mal auf sechs Jahre. Jedenfalls ist sie so 2006 zur Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland erfunden worden, und zwar von den Stuttgarter Nachrichten. Die ihrer Berichterstattung über das heute als „Sommermärchen“ bekannte Event ein bisschen Bibel und Kirche bzw. ein geistliches Augenzwinkern beigeben wollten. Danach ist die Kabinenpredigt der Stuttgarter Nachrichten in die Verlängerung gegangen: bei der Europameisterschaft 2008, einer erneuten Weltmeisterschaft 2010 sowie dazwischen und darüber hinaus bei vielen Spielen des VfB Stuttgart. Und jetzt bei der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine.

Überlebt aber hat nicht nur die Gattung Kabinenpredigt, sondern auch der Kabinenprediger Koch. Der zwar nicht schwindelfrei ist, sich aber nach wie vor auf die Gratwanderung begibt. Abstürzen kann man nämlich nach zwei Seiten, wobei in den einen Abgrund der Moralapostel, in den andern der Irrlehrer fallen würde. Was aber hält Koch oben? Nichts weiter als die Hoffnung, mitten im Sportteil einer großen Zeitung Menschen, die bei dem Wort Tor kaum je an die Kirchentür denken, zu verstehen zu geben: Fußball ist herrlich, aber nur eine Nebensache. Und: Fansein ist schön, aber Spielregeln gehören dazu. Und: „Freude ist nicht nur eine Gemütsbewegung, sondern auch eine Pflicht des Christen.“ (Johann Albrecht Bengel).

In diesem Sinne: Voilà, die (bisherigen) Kabinenpredigten zur Fußball- Europameister 2012, und das zu den deutschen Spielen und in umgekehrter Reihenfolge!

Stuttgarter Nachrichten vom 22. Juni 2012:

Kabinenpredigt

Und die Bibel hat doch recht? Beim EM-Viertelfinale damit nicht: „Erregt keinen Anstoß bei den Griechen!“ (1. Korinther 10,32) Und darum lieber Aristoteles an die Kabinentür von Jogis Jungs gepostet: „Freude an der Arbeit lässt das Werk trefflich geraten.“ Wobei der Philosoph auch seinen Landsleuten etwas zu sagen hat: „Hoffnung ist Träumen mit offenen Augen.“ Übrigens: Deutschland gegen Griechenland ist bloß ein Fußballspiel. Was aber, wenn Hellas das Tor zum Paradies verriegelt? „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ (Psalm 18,30) Nur dass die Griechen das genauso glauben dürfen.

Stuttgarter Nachrichten vom 16. Juni 2012:

Kabinenpredigt

Da müssen nun aber einige in Sack und Asche gehen. Weil im Blick auf Mario Gomez ein „Hosianna!“ heute nach dem „Kreuziget ihn!“ von gestern nicht genügt. „Abbitte ist die beste Buße“, sagt ein Sprichwort. Wer Ohren hat, der höre! Und damit zu Jogis Jungs! „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf“, meint die Bibel (Psalm 127,2). Nicht aber bei Deutschland gegen Dänemark, weshalb die Sonntagsruhe bis Montag warten muss. Stattdessen gilt: „Lauft so, dass ihr den Siegespreis erlangt!“ (1. Korinther 9,24) Der da Viertelfinale heißt. Von wo aus es noch drei Schritte bis in den Fußballhimmel sind.

Stuttgarter Nachrichten vom 13. Juni 2012:

Kabinenpredigt

Pfarrer Eduard Mörike hat’s weiland schon erkannt: „Gott schütze uns vor Feuer und Wind / und Arbeitern, die langsam sind!“ Will sagen: Gegen die Niederlande muss manches schneller gehen als gegen Portugal. Dann ist Deutschland durch und die Vorrundenmesse gelesen. Also Jungs: „Lasst euch den Siegespreis von niemandem nehmen!“ (Kolosser 2,18) Papierkugeln aus der „Fan“kurve braucht es dazu übrigens nicht. Aber gern ein paar Spieler mehr, welche in die Nationalhymne mit einstimmen. Und keine Sorge: „Auch in der Kirche singen immer die am lautesten, die falsch singen.“ (Franz Grillparzer).

Stuttgarter Nachrichten vom 9. Juni 2012:

Kabinenpredigt

Anpfiff nun auch in der Ukraine und vorab schon mal Abpfiff für „Sportsfreund“ Janukowitsch & Co.! Weil „wer Unrecht sät, wird Unglück ernten“ (Sprüche 22,8). In Sachen unmenschlicher Politik kann der Fußball jedenfalls nicht einfach schweigen. Und darf sich dann trotzdem auf Deutschland gegen Portugal freuen. Wort zum Spiel in Lwiw: „Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist!“ (Hebräer 12,1) Wobei Jogi Löw Cacau nicht hätte in die Wüste schicken sollen. Schließlich ist auch bei der EURO vieles an Gottes Segen gelegen. Wer aber will den jetzt auf den heiligen Rasen tragen?

Das meint Koch. Und was meinen Sie?


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