Wie viele Kriegsdienstverweigerer gab es in der DDR?
Bretschneider: Zwischen 1964 bis 1989 haben rund 25.000 junge Männer den Dienst mit der Waffe verweigert. Etwa 12.000 wurden als Bausoldaten eingezogen. Rund 7.000 Totalverweigerer wurden eingesperrt.
Sie sind Initiator der kirchlichen Friedensdekade. Wie kam es dazu?
Bretschneider: Die biblische Geschichte vom Propheten Micha hat mich inspiriert. Dort heißt es unter anderem: ‚Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Spieße zu Sicheln machen‘. Im Gegensatz zur DDR, die außenpolitisch ihren Friedenswillen lautstark vermarktete und innenpolitisch die Kritik an der Militarisierung verschwieg, tut in dieser biblischen Geschichte der König Buße. Deshalb habe ich die Friedensdekade mit dem Bußgedanken verbunden und den Bußtag integriert. Es sollte die Schuld nicht auf die anderen geschoben werden. Jugendliche nahmen das biblische Wort ernst. Bis heute dauert die kirchliche Friedensdekade vom Volkstrauertag bis zum Bußtag, also zehn Tage.
Sie haben nach einem Symbol für die Friedensarbeit gesucht und als Vorlage die Bronze-Skulptur des sowjetischen Bildhauers Jewgeni Wiktorowitsch Wutschetitsch genutzt. Wieso?
Bretschneider: Ich spürte, dass Jugendliche Zeichen brauchen, mit denen sie sich zu erkennen geben und mit denen sie ihre Position artikulieren. Das Denkmal des sowjetischen Bildhauers bezieht sich auf das biblische Wort des Propheten Micha. Es steht in New York und in Moskau. Ich entwarf ein Lesezeichen mit der Skulptur und ließ ein Jahr später Tausende Aufnäher auf Fließ drucken. Das war Textiloberflächenveredelung und bedurfte keiner Druckgenehmigung.
Wie wurde das Symbol aufgenommen?
Bretschneider: Das hat tatsächlich so gewirkt, dass ich selber richtig erstaunt war. Das Symbol hat immer mehr Leute inspiriert. Es war eine Initialzündung. Theologen wie Rainer Eppelmann, Christoph Wonneberger und Friedrich Schorlemmer haben es später auch aufgegriffen.
Wie groß war der kirchliche Einfluss auf die friedliche Revolution?
Bretschneider: Die friedliche Revolution ist maßgeblich von Menschen mitgeprägt worden, die aus dem Glauben heraus den Mut zur Zivilcourage hatten. Kirche ist nicht nur eine Institution, sondern zu ihr gehören einzelne Christen. Jugendliche haben das Bibelwort verbunden mit dem Zeichen des Bildhauers (ein Mann, der ein Schwert zu einem Pflug schmiedet, Anm. d.R.) in die Schulen getragen. Sie haben faktisch das Friedenszeugnis der Bibel wie zu Zeiten der Reformation unter die Leute gebracht. Sie waren bereit, dafür zu leiden, denn ihnen wurden Konsequenzen angedroht – das berührt mich bis zum heutigen Tag. Sie haben dem christlichen Friedenszeugnis Hände und Füße gegeben. Es war kein Zeichen, dass sie gerade mal eben mochten, sondern etwas, was sie mit ihrer Existenz vertraten.
Wie kommt es dann, dass in Dokumentationen und Rückblicken zum 30. Jahrestag die Kirchen oft gar nicht oder nur am Rande vorkommen?
Bretschneider: Ich kann nicht verstehen, dass die christlichen Impulse heute zum Teil bestritten werden. Zum Beispiel haben das Forum Frieden für die Jugend 1982 in der Dresdner Kreuzkirche, die Bluesmessen in Berlin, Künstler und Verantwortliche das Schwerter-Symbol und biblisches Wort aufgenommen und es hat seine Wirkung gezeigt. Die friedliche Revolution ist nicht vom Himmel gefallen, sie hatte einen langen Vorlauf. Der Mut zur Zivilcourage ist aus dem christlichen Glauben gewachsen. ‚Schwerter zu Pflugscharen‘ ist das Bibelwort, das die Diktatur ins Wanken brachte.
Quelle: Evangelische Kirche in Deutschland: Nachrichten ( http://www.ekd.de/rss/editorials.xml)
Bitte lesen Sie den ganzen Text auf der Originalseite des Feeds – zur Quelle