Landesbauernpfarrerin Bullinger erklärt den Ursprung und spricht über ihre Aufgaben
Erntedankgottesdienste sind in ganz Deutschland bekannt und weit verbreitet. In Württemberg gibt es seit rund 200 Jahren noch eine weitere Tradition, auf die sich gerade zahlreiche Gemeinden vorbereiten: Erntebittgottesdienste, die vielerorts im Juni stattfinden sollen. Wir haben mit Landesbauernpfarrerin Sabine Bullinger über die württembergische Tradition, das diesjährige Thema und ihre Arbeit als Landesbauernpfarrerin gesprochen. Materialien für Erntebitt finden Sie hier oder als Download am Ende des Interviews.
Vor kurzem sind die Arbeitsmaterialien für Erntebittgottesdienste erschienen. Wo liegt in diesem Jahr der Fokus?
Sabine Bullinger: „…, dass ihre Seele sein wird wie ein wasserreicher Garten und sie nicht mehr verschmachten sollen“ (Jer 31,12) ist in diesem Jahr das Thema der Erntebittmaterialien. Eine innere Dürre breitet sich in vielen Menschen aus und beeinträchtigt die Freude am Leben. Die Gefahr von Dürrezeiten in der Natur macht den Landwirten zunehmend Sorge. Wir wollen dieses Jahr in den Erntebittgottesdiensten diesem Thema nachgehen.
Gibt es für Erntebitt festgelegte Traditionen?
Sabine Bullinger: Die Erntebittgottesdienste haben eine lange Tradition in Württemberg. Nach dem Jahr ohne Sommer 1816 ordnete der württembergische König für 1817 Erntebittgottesdienste an. Bis heute werden diese gefeiert, aber das ist in den Gemeinden sehr unterschiedlich. Es gibt Dörfer, die haben einen ganzen Feiertag dafür. Andere haben einen Sonntagsgottesdienst im Juni dafür reserviert. Manche Gemeínden mit regelmäßigen Gottesdiensten im Grünen nutzen die Materialien für Erntebitt für einen dieser Gottesdienste. Die Arbeitsmaterialien sollen Anregungen geben und Lust machen, neue Formate auszuprobieren.
Woher kommen die Materialien?
Sabine Bullinger: Der Arbeitskreis, der die Materialen erstellt hat, kam in diesem Jahr aus Freudenstadt. Einer der Beteiligten wohnt „jenseits der Grenze“, also im Badischen, Über ihn und über den badischen „Landesbauernpfarrer“, mit dem ich in gutem Kontakt bin, versuchen wir die Idee nach Baden zu tragen. Mittlerweile haben auch einige Gemeinden aus Baden Interesse an den Materialien zu Erntebitt, obwohl das ja eigentlich eine württembergische Tradition ist.
Wann genau werden Erntebittgottesdient gefeiert?
Sabine Bullinger: Der Zeitpunkt ist nicht genau festgelegt. Die meisten Gemeinden planen die Erntebittgottesdienste traditionell für Juni – und vorher ist es im Corona-Jahr auch nicht sinnvoll. Was man planen kann, hängt ja immer auch von den Inzidenzwerten ab. Es gibt jedenfalls viele Ideen: Ob in einer Scheune, im Zelt, auf dem Hof – außerhalb der Kirche hat man die Chance auf eine größere Gemeinde.
Welche Bedeutung haben Erntebittgottesdienste heute noch?
Sabine Bullinger: Auch in unserer technisch unterstützten Landwirtschaft ist eine gute Ernte nicht vorprogrammiert – leider, oder wie ich meine: zum Glück. Das bewahrt uns davor, die Bodenhaftung zu verlieren. Das schließt gut an das Motto des Ordens der Benediktiner an: ora et labora heißt es lateinisch, auf deutsch: bete und arbeite. Das Gebet soll die Arbeit nicht ersetzen und umgekehrt die Arbeit nicht das Gebet. Das Gleichgewicht zu suchen zwischen aktivem Bemühen und Gestalten und der Rückbesinnung auf Gott – das klingt recht modern. Work-Life-Balance würde man heute vielleicht sagen.
Was sind eigentlich die Aufgaben der Landesbauernpfarrerin?
Wie sieht Ihre Arbeit im Bauernwerk aus?
Sabine Bullinger: Ich bringe mich als Theologin in das Team von Hohebuch ein und bin kraft Amtes Mitglied des Vorstands des Evangelischen Bauernwerks Württemberg e.V.. Natürlich bin ich auch Ansprechperson für meine Kollegen und Kolleginnen, sei es dienstlich oder privat. So, wie ich als Pfarrerin auch meinen Gemeindegliedern begegnen würde. Ich habe viele Aufgaben, die denen einer Gemeindepfarrerin ähneln. Ich gestalte zum Beispiel die geistlichen Impulse für die Sitzungen unserer Gremien, wie etwa die Vorstandssitzungen. Für die Erntebittgottesdienste habe ich jetzt auch eine Arbeitshilfe mit Anregungen erstellt. Diese wird traditionell vom Landesbauernpfarramt herausgegeben. Ich werde auch für Gottesdienste oder Vorträge angefragt. Ein Vortrag lief Ende Februar digital.
Welche Themen begegnen Ihnen in ihrer seelsorgerischen Arbeit im Bauernwerk?
Sabine Bullinger: Es gibt zum Beispiel ein großes Interesse von Menschen, auf dem Land zu leben und auch ein Stück weit das Landleben mitzugestalten. Auf der anderen Seite gibt es die Landwirte, die vom Land leben und Geld verdienen möchten. Da entstehen Konflikte, wenn Außenstehende besser zu wissen glauben, wie ein Landwirt zu arbeiten hat. Landleben war noch nie Bullerbü und wird es nie werden.
Was sind wichtige konkrete Anliegen der Landwirte?
Sabine Bullinger: Die Landwirte möchten mit den Produkten, die sie mit hohem Einsatz hier im Land erzeugen, wahrgenommen und wertgeschätzt werden und nicht im Wirrwarr der globalen Lieferketten untergehen. Verbraucher können im Supermarkt Nahrungsmittel aus aller Welt kaufen und denken oft nicht mehr saisonal und regional. Das setzt Landwirte unter Druck.
Landwirt sein erlebe ich noch immer als Leidenschaft. In der Landwirtschaft Tätige wünschen sich von den Verbrecuherinnen und Verbrauchern Verständnis. Wenn sie Tierwohlbestimmungen und Düngemittelverordnung einhalten oder sogar übererfüllen, dann folgen daraus unvermeidlich höhere Preise. Das muss man sich leisten wollen – Kunden sind mit in der Verantwortung. In diesem Dialog zwischen Gesellschaft, Landwirtschaft und Kirche habe ich als Theologin meinen Platz.
Kommen die Landwirte auch in politischen oder technischen Fragen mit ihren Sorgen und Nöten zu Ihnen?
Sabine Bullinger: Ich bin Theologin, ich bin keine Expertin für Agrarwissenschaft und auch keine Fachfrau für landwirtschaftliche Familienberatung. Was ich aber auf jeden Fall machen kann, ist zuhören und sensibel sein für das, was dahintersteht. Hinter dem Frust über die Politik steht vielleicht auch die Sorge, wer den Hof weiterführt. Vielleicht hat jemand in neue Stallungen investiert und dann ändern sich die Verordnungen. Das erzeugt Ärger und Frust. Da kann es helfen, sich den Ärger von der Seele zu reden, um hinterher klarer zu sehen.
Wie erleben Sie selbst die Corona-Pandemie?
Sabine Bullinger: So langsam schlägt es mir schon ein wenig aufs Gemüt. Ich wünsche mir wieder mehr persönliche Begegnungen mit Menschen und nicht nur rechteckige Kacheln mit Gesichtern auf dem Bildschirm.
Was steht bei Ihrer Arbeit in nächster Zeit an?
Sabine Bullinger: Im Juni bin ich für viele Erntebittgottesdienste angefragt. Außerdem werde ich mich bald mit Erntedank beschäftigen. Im letzten Jahr hat eine Kollegin aus Hohebuch dafür mit dem Ministerium für den ländlichen Raum und weiteren kirchlichen, auch katholischen, Stellen zusammengearbeitet zum Thema „Lebensmittel.Wert.Schätzen“. Das Ministerium würde die Zusammenarbeit gerne fortsetzen, wir in Hohebuch auch, und ich habe schon bei meinem badischen Kollegen angefragt, um ein echtes baden-württembergisches Projekt daraus zu machen.
Gibt es noch weitere Augenmerke und Ideen?
Sabine Bullinger: Die „alte Garde“, also ältere Bauernwerksmitglieder, und die Hohenloher Kantorei sind weitere Themen. Ich würde gern ein neues Veranstaltungs-Format entwickeln, das Musik, Theologie, gesellschaftliche und landwirtschaftliche Themen verbindet. Die Zielgruppe sollen ältere Menschen sein, die sich seit Jahrzehnten mit Hohebuch verbunden fühlen, aber auch Menschen aus den Gemeinden in der Umgebung.
Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg ( https://www.elk-wue.de/index.php?type=13)
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