Landesfrauenpfarrerin Cornelie Ayasse im Interview
Die Pandemie hat für Frauen zu einem Rückfall in tradierte Rollen geführt, sagt Landesfrauenpfarrerin Cornelie Ayasse. Im Interview erzählt sie von den ersten Eindrücken ihrer neuen Aufgabe und davon, welche Pläne sie zusammen mit den Evangelischen Frauen in Württemberg hat. Vor ihrer Aufgabe als Landesfrauenpfarrerin war Cornelie Ayasse Pfarrerin im Schuldienst an einem beruflichen Schulzentrum und theologische Referentin bei der Württembergischen Bibelgesellschaft.
Sie sind im Mai als Landesfrauenpfarrerin in Württemberg gestartet – wie haben Sie die ersten Monate in dieser Aufgabe erlebt?
Cornelie Ayasse: Ich teile das Los mit allen, die während Corona eine neue Stelle angetreten haben. Meine Kolleginnen in der Geschäftsstelle habe ich über eine lange Zeit nur digital getroffen. Ich selbst war möglichst oft dort, um die Arbeitsabläufe kennenzulernen. Als dann im Sommer mehr Kolleginnen aus dem Homeoffice kamen, bekam die Arbeit für mich immer mehr ein Gesicht. Meine persönlichen Antrittsbesuche konnten auch nicht wie gewohnt oder erst später stattfinden. Trotzdem konnte ich durch all die digitalen Möglichkeiten einen Überblick über das weite Arbeitsfeld zu bekommen. Auch die jährliche Hauptversammlung und das EFW-Forum, die wichtigsten Veranstaltungen von Evangelische Frauen in Württemberg (EFW), fanden digital statt. Mein Einsetzungsgottesdienst wurde gestreamt; so konnten auch Menschen daran teilnehmen, die sonst wegen der Entfernung nicht dabei gewesen wären, zum Beispiel Freunde aus meiner Zeit als Auslandspfarrerin in Hongkong.
Ihre Erwartungen und Ziele und die Realität: Haben Sie Korrekturen vorgenommen?
Cornelie Ayasse: Sehr deutlich geworden ist, dass in einem Verband die Arbeit anders läuft als in meinen bisherigen Aufgaben. Es braucht für vieles einen langen Atem und auch eine Portion Hartnäckigkeit. Wir haben ein gut aufgestelltes neues Präsidium, das sich für eine starke Arbeit für und mit Frauen in der Landeskirche engagiert. Alle Kolleginnen in der Geschäftsstelle sind hoch motiviert. Ich wünsche mir, dass wir uns noch internationaler, interkultureller und interreligiöser ausrichten, wie wir es bereits mit dem Weltgebetstag tun. Ein Beispiel: Ich möchte in Zukunft gerne Frauenreisen mit interreligiösen Begegnungen anbieten.
Was bewegt die evangelischen Frauen derzeit besonders?
Cornelie Ayasse: Im Sommer hatten wir das jährliche Forum zum Thema Zukunft der Frauenarbeit. Mich hat beeindruckt, wie motiviert und engagiert die Frauen waren und wie sehr sie sich mit EFW identifizieren. Aktuell sind es die Auswirkungen der Pandemie auf Frauen, die uns umtreiben. Der Rückfall in tradierte Rollen ist erschreckend. Die Anfragen nach Mütterkuren sind in die Höhe geschossen. Homeschooling, Homeoffice, Sorge um alte Eltern, um die eigene berufliche wirtschaftliche Existenz, all das und noch vieles andere mussten Frauen oft mehr oder weniger allein stemmen. Es waren meistens die Frauen, die ihre Arbeitszeit reduzierten, und das wird langfristig Folgen haben für Karriere und Altersbezüge. Aber auch der Zustand unserer Gesellschaft macht Sorgen. Immer stärker machen sich Risse bemerkbar, Fronten verhärten sich und die Bereitschaft, aufeinander zu hören nimmt stark ab. Eine neue Gesprächskultur ist notwendiger denn je, und wir evangelischen Frauen wollen dazu unseren Beitrag leisten.
Welchen Herausforderungen begegnen Sie in Ihrer Arbeit?
Cornelie Ayasse: Die Frage, wie der zu erwartende Sparkurs der Landeskirche unsere Arbeit verändern wird, beschäftigt uns natürlich! Die Stärkung von Frauen, die sich in der Landeskirche ehrenamtlich engagieren, ist und bleibt eine Kernaufgabe. Eine große Herausforderung sehe ich darin, Frauen aus unterschiedlichen Lebensphasen und Lebenswelten mit unseren Angeboten zu erreichen. EFW ist für die Breite zuständig, aber in Zukunft werden wir uns stärker fokussieren und konzentrierter arbeiten müssen. Wir werden unsere Netzwerkarbeit und Kooperationen noch mehr ausbauen. Da sind wir als weiter Dachverband bereits gut aufgestellt. Mit rückgehenden finanziellen Mitteln und weniger personellen Ressourcen sind neue Strategien notwendig. Andererseits sehe ich hierin auch eine große Chance, uns darauf zu besinnen, was unsere genuine Aufgabe ist.
Sie haben sich unter anderem das Thema Geschlechtergerechtigkeit vorgenommen: Wo sehen Sie hier Punkte, an denen Sie konkret ansetzen können?
Cornelie Ayasse: Heute ist es notwendig, dass die verschiedenen Geschlechter respektvoll und auf Augenhöhe ins Gespräch kommen. Wichtig ist der Anschluss an die aktuelle Genderforschung: Geschlechtersensibilität heißt, die Pluralität der Geschlechtsidentitäten wahrzunehmen und stärker in den Blick zu nehmen.
Auf landeskirchlicher Ebene starten wir wieder neu mit dem Arbeitskreis geschlechterbewusste Theologie. Ich hoffe, dass wir hier konkrete Projekte anstoßen, die wichtige Impulse für die Kirchengemeinden bieten. Ich denke an Studientage, aber auch an Materialien für die Praxis.
Mit dem Männerwerk werden wir in Zukunft inhaltlich enger zusammenarbeiten. Ein regelmäßiger Austausch über die spezifischen Themen, Probleme und Schwierigkeiten und die spirituellen Bedürfnisse ist erforderlich. So können wir Konfliktfelder zwischen den Geschlechtern gemeinsam bearbeiten und Lösungen suchen.
Was steht an konkreten Projekten in den nächsten Monaten an?
Cornelie Ayasse: Eine schöne Tradition ist es, den Adventsbeginn ökumenisch mit einer Frauenkirche zu begehen. „Aufbruch ins Ungewisse“ – unter diesem Thema feiern wir gemeinsam mit den katholischen Schwestern am 26.11. in Stuttgart Gottesdienst. Im Mittelpunkt stehen Maria und Elisabeth, die sich in schwierigen Zeiten gegenseitig gestärkt haben. Im Dezember findet eine Podiumsdiskussion zu „150 Jahre § 218“ statt, in Kooperation mit dem Treffpunkt 50+ /Akademie Bad Boll. Der Paragraph 218 polarisiert bis heute. Die einen wünschen seine ersatzlose Streichung, die anderen sprechen sich für Verschärfung aus. Aktuell gibt es hierzu weltweit verhängnisvolle Entwicklungen, wenn wir nur an das sogenannte Heartbeat-law in Texas denken. Auch in Deutschland verhärten sich die Fronten zunehmend. Umso wichtiger ist es, darüber mit den verschiedenen Parteien ins Gespräch zu kommen, und zwar auf Augenhöhe und respektvoll. Im Januar steht das Bundestreffen aller Pfarrerinnen an, die sich in der Arbeit für Frauen engagieren – hier findet Austausch und gegenseitige Unterstützung auf EKD-Ebene statt. Im Mai freue ich mich auf den 1. Interkulturellen Studientag zu Frauen in Indien und hoffe auf große Resonanz.
Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg ( https://www.elk-wue.de/index.php?type=13)
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