Geistlicher Impuls zum 1. Advent von Rundfunkpfarrerin Barbara Wurz
Wieder gehen wir in eine Adventszeit unter Corona-Vorzeichen, wieder droht eine Zeit der Schließung, wo der Advent eigentlich Türen öffnen will. Eine Zeit der Freude und der Hoffnung verdunkelt sich und droht zu erstarren. Und doch können wir eine Perspektive für Vorfreude und Sehnsucht finden, meint Rundfunkpfarrerin Barbara Wurz in ihrem geistlichen Impuls zum 1. Advent.
Erster Advent – das neue Kirchenjahr beginnt. Ein Neuanfang. Allerdings – so eine trübe Stimmung habe ich am ersten Advent noch nie erlebt. Egal mit wem ich gerade spreche: Scheinbar freut sich niemand mehr auf irgendetwas – jedenfalls nicht aus vollem Herzen. Früher lag immer eine Art Aufbruchstimmung in der Luft: Advent, das waren Weihnachtsvorbereitungen, Einkaufen, Betriebsamkeit… Jetzt – durch Corona – ist alles irgendwie erstarrt. Selbst letztes Jahr war diese Schockstarre noch nicht ganz so schlimm. Da gab es allerdings auch noch die Hoffnung, dass alles wieder normal werden würde. Wir hatten noch ein Ziel: Nächstes Jahr an Weihnachten, die ganze Familie wieder beieinander
Und jetzt? Jetzt weiß wieder keiner, ob das was werden wird. Schockstarre – und kein neues Ziel in Sicht: Ich habe jedenfalls noch niemanden sagen hören: Weihnachten 2022 dann – die ganze Familie wieder beieinander.
Dafür ist mir ein anderer Satz eingefallen, und der klingt ganz ähnlich: Nächstes Jahr in Jerusalem. Dieser Satz kommt aus dem jüdischen Passa-Festes. Da kommen die Mitglieder jüdischer Familien zum Essen zusammen, und sie wünschen sich gegenseitig: Nächstes Jahr feiern wir in Jerusalem – dabei wissen sie genau, dass sie auch dann nicht in Jerusalem sein werden. Es geht nämlich gar nicht um das echte Jerusalem mit Häuser aus Stein, Beton und Rigips. Jerusalem – das ist ein Ideal, ein Sehnsuchtsort, ein Ort des Friedens: Jerusalem ist die Welt versöhnt mit sich selbst und versöhnt mit Gott.
Die Vorfreude auf diesen Sehnsuchtsort hat das Volk der Juden durch die schrecklichsten Zeiten getragen. Mit diesem Ziel vor Augen und haben sie ihre Hoffnung nicht verloren. Und wir Christen haben diese Hoffnung vom jüdischen Volk geerbt – das ist in der Bibel nachzulesen. Jesus Christus selbst verspricht, dass er wieder auf die Welt kommen wird. Dass es einen Neuanfang geben wird, ein himmlisches Jerusalem. Alle Menschen werden hier in Frieden zusammen leben. Es wird ein Leben sein ohne Leid und ohne Krankheiten. Und niemand muss alleine bleiben, auch nicht an Weihnachten.
Gottes Versprechen: er lässt uns nicht allein
Das ist Gottes Versprechen, am ersten Advent: Wir warten auf Weihnachten: Gott kommt auf die Welt und lässt uns nicht allein. Ein Kind wird geboren – was für ein schöner Neuanfang! Von Nah und Fern kommen die Menschen es besuchen – die Hirten vom Feld und die Weisen aus dem Morgenland – niemand muss alleine bleiben. Übrigens sind Maria und Joseph in meiner Vorstellung auch vor diesem Besuch nicht mutterseelenallein in der Nacht. Früher fand ich diese Vorstellung noch heimelig und romantisch – und so stellen es ja auch fast alle Weihnachtskrippen dar, denn in der Bibel heißt es: Sie legten das Kind in eine Futterkrippe, denn es gab sonst keinen Platz in der Herberge.
Dieses Jahr, im zweiten Corona-Advent, denke ich lieber an ein Gasthaus oder eine Herberge, wie sie früher auch bei uns zu finden waren: ein Haus, in dem alle zusammen unterkommen: Mensch und Vieh, Im Winter musste man schließlich zusehen, wie man sich warm hielt. Deshalb: Die Tiere mit ihrer Körperwärme unten, die Menschen einen Stock höher – aber alle unter einem Dach. Warum nicht auch bei Maria und Joseph in der Herberge? Oben, wo sonst die Menschen schlafen, war alles belegt, deshalb waren sie unten bei den Tieren – aber trotzdem nicht allein.
Gott mitten in einer Gemeinschaft
Zugegeben: die Vorstellung ist nicht sehr romantisch: nicht nur der Gestank der Tiere. Wer weiß, was für Leute da alle unter einem Dach zusammengewürfelt gewesen sein könnten? Sicher eine bunte Mischung: Leute mit und ohne Geld, Gauner und Ehrliche, Alte und Junge… Aber alle unter einem Dach – eine Gemeinschaft – und Gott mitten unter ihnen.
In Corona-Zeiten gefällt mir Vorstellung von Jesus in der Herberge. Ich hoffe sehr, dass sich niemand an Weihnachten einsam fühlen muss. Wir alle stecken mit dem Jesus-Kind unter einem Dach – so unterschiedlich wir auch sind. Einsam bleiben wir an Weihnachten nicht nur, wenn wir uns nicht besuchen kommen können. Auch der Streit in unserer Gesellschaft über Corona-Maßnahmen, Impfungen usw. macht uns einsam und trennt uns voneinander.
Alle diese Probleme sind nicht so einfach zu lösen. Aber Schockstarre und Aufgeben helfen auch nicht weiter. Geben wir also die Hoffnung nicht auf. Wagen wir wieder einen Neuanfang. Dieses Jahr in Betlehem – und nächstes Jahr, vielleicht, in Jerusalem.
Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg ( https://www.elk-wue.de/index.php?type=13)
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