„Kluft zwischen Armut und Reichtum wird immer größer“
„Konto 2008“ ist der Name einer Gruppe aus Tübingen, die Spenden für soziale Projekte weltweit sammelt, und das schon seit 65 Jahren. Die Vorsitzende Magdalene Weiß (65) spricht im Interview darüber, wie die Arbeit der ehrenamtlichen Initiative abläuft und was ihre Mitglieder antreibt.
Wer steckt hinter „Konto 2008“?
Magdalene Weiß: Wir sind eine Gruppe, die jedes Jahr für zwölf soziale Projekte Spenden sammelt. Die Projekte liegen weltweit verstreut, in Nigeria, Indien, Südsudan, Kamerun, Kongo, Tschad, Libanon, Osteuropa, Burkina Faso und Palästina. Jeden Monat steht eine andere Initiative oder Einrichtung in unserem Spendenkalender.
Wir sind zu siebt, mehrere von uns waren in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Zu uns, dem sogenannten „Vergabeausschuss“, gehören zum Beispiel Menschen aus den Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten, dem „Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung“ (DiMOE) oder dem Deutschen Institut für Ärztliche Mission e. V. (Difäm), aber auch Persönlichkeiten wie Pfarrer Albrecht Ebertshäuser, der früher Prälaturpfarrer im DiMOE war und 2018 Landesbischof July auf seiner Nigeria-Reise begleitet hat. Er ist ausgewiesener Nigeria-Experte. Oder Pfarrerin Hanna Hartmann von der Martins-Gemeinde in Tübingen, die die Verbindung zur Gesamtkirchengemeinde herstellt.
Wofür sammeln Sie im Moment?
Weiß: Für ein Frauenschulungszentrum in Nigeria. Die Situation im Land ist anhaltend angespannt. Unsere Spenden gehen an eine christliche Initiative für Witwen und Waisen. Das Projekt ermöglicht armen Frauen und Witwen, deren Männer durch Boko Haram umgebracht wurden, Fähigkeiten zu erlernen, die ihnen helfen, sich und ihre Kinder zu ernähren.
„Die Situation in Nigeria ist anhaltend angespannt.“
Was treibt Sie an?
Weiß: Wir sind alle davon überzeugt, dass wir in guten Verhältnissen leben und dass uns eigentlich nichts fehlt. Und wir spüren als Christinnen und Christen eine Verantwortung für unsere Welt. Die Kluft zwischen Armut und Reichtum auf der Welt wird zurzeit immer größer. Durch Corona ist es noch krasser geworden. Die mangelhafte weltweite Verteilung des Impfstoffes macht es auch deutlich. Unser Wunsch ist es, dass an den Orten, wo wir tätig sind, dank der unterstützten Projekte ein bisschen mehr Gleichgewicht entstehen kann.
Was ist das Ziel des „Kontos 2008“?
Weiß: Bei der Gründung in den 50er-Jahren war das Anliegen, Not zu lindern – das hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Heute ist es die Hilfe zur Selbsthilfe in Projekten, in denen es meist um Frauen, Kinder und Jugendliche geht.
Wie läuft die Arbeit ab?
Weiß: Wir treffen uns einmal im Jahr und stimmen uns sonst per E-Mail oder Telefon ab. Bei dem Treffen, das meist im Herbst stattfindet, werten wir die Förderprojekte des vergehenden Jahres aus anhand der Schreiben und Reaktionen unserer Partner und der Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten. Sie informieren uns über den aktuellen Stand der Initiativen. Dann legen wir fest, welche Förderprojekte wir im nächsten Jahr beibehalten und welche wir neu unterstützen wollen. Wenn die Situation sich in einem Projekt noch nicht deutlich verbessert hat, entscheiden wir uns meist, die Initiative weiter zu unterstützen.
„Unser Wunsch ist es, dass an den Orten, wo wir tätig sind, dank der unterstützten Projekte ein bisschen mehr Gleichgewicht entstehen kann.“
Wie sammeln Sie Spenden?
Weiß: Seitdem es die Tübinger Zeitung für die Evangelische Kirche „Kirche in der Stadt“ gibt, werden auf der Rückseite vierteljährlich drei unserer Initiativen vorgestellt. Auch die Homepage der Gesamtkirchengemeinde veröffentlicht die aktuellen Texte und Fotos der Projekte. Es kam auch schon vor, dass in Tübinger Kirchengemeinden Artikel über unsere Initiative geschrieben wurden.
Wie viele Spenden haben Sie schon zusammenbekommen?
Weiß: In den ersten 50 Jahren waren es 700.000 Euro. Inzwischen sind wir 65 Jahre alt. Zurzeit erhalten wir rund 15.000 Euro im Jahr, im Monat sind es ungefähr 1200 Euro. Durch den persönlichen Kontakt, den wir zu allen Projekten haben, wissen wir, dass unsere Spenden zu 100 Prozent dort ankommen.
„Durch den persönlichen Kontakt, den wir zu allen Projekten haben, wissen wir, dass unsere Spenden zu 100 Prozent dort ankommen.“
Was sind die Kriterien, nach denen Sie auswählen, ob Sie für ein soziales Projekt sammeln?
Weiß: Voraussetzung ist für uns eine Verbindung zum Projekt durch eine Organisation, der wir vertrauen. Oder durch Persönlichkeiten, die wir kennen und von denen wir wissen, dass sie in regem Austausch mit dem Projekt stehen. Sie können uns Rückmeldung geben zum aktuellen Stand, wie es weitergeht, ob weiterhin Bedarf besteht oder nicht.
Wir profitieren zum Beispiel von der Verbindung von Alt-Landesbischof Eberhardt Renz zu einem großen sozialen Projekt gegen Armut in Chennai in Südindien. Er pflegt seit vielen Jahren Kontakt zu dem Leiter dort. Diese Initiative unterstützen wir schon seit einigen Jahren, weil sie sehr umfassend verschiedenste gesellschaftliche Bereiche im Blick hat. Von Eberhardt Renz erfahren wir regelmäßig, wie die Situation aktuell ist, bekommen Briefe aus der Initiative und wissen, wie wichtig es ist, dieses Projekt weiterhin zu unterstützen.
Ein anderes Beispiel: Wenn wir ein Projekt in Osteuropa suchen – Osteuropa ist beim DiMOE in Reutlingen angesiedelt – dann schlägt uns das DiMOE mit seinen Partnern in Osteuropa vor, welches Projekt gerade die Spenden benötigen könnte. So können wir uns mit der Initiative im Vergabeausschuss beschäftigen und eine Entscheidung treffen.
„Voraussetzung ist für uns eine Verbindung zum Projekt durch eine Organisation, der wir vertrauen.“
Treffen Sie auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der sozialen Projekte persönlich?
Weiß: Ja, eine Mitarbeiterin des Difäm ist im Vergabeausschuss. Sie besucht regelmäßig die Projekte im Ostkongo und im Tschad und ist somit ganz nah dran.
Oder: Die Tübinger Frauenfilmfesttage, von „Terre des Femmes“ veranstaltet, haben 2017 die Genitalverstümmelung thematisiert. Um das Festival zu eröffnen, war die Verantwortliche des Projekts „Bangr Nooma“ in Burkina Faso, für das wir Spenden sammeln, eingeladen. Das war für uns die Gelegenheit, sie zu einem Arbeitsfrühstück bei uns am Wohnzimmertisch einzuladen – eine tief berührende Erfahrung. Wir konnten viele Fragen stellen und uns endlich einmal persönlich kennenlernen. Das Projekt macht kontinuierlich Fortschritte und wir sammeln bis heute dafür.
Gibt es ein Projekt, das schon von Anfang an dabei ist?
Weiß: Ja, der Pfarrer, der „Konto 2008“ gegründet hat, Eberhard Krause-Sparmann von der Eberhardskirche in Tübingen, hat Jordanien und Palästina bereist, und mit Palästina, Jordanien und Libanon hat die Initiative auch angefangen. Libanon und Palästina unterstützen wir bis heute.
Wie wirkt sich Corona auf „Konto 2008“ aus?
Weiß: Normalerweise veranstalten wir einmal im Jahr ein SpenderInnencafé, bei dem Vertreter eines Projektes einen Vortrag halten, aktuell informieren und Bilder zeigen. Natürlich gibt es auch selbst gebackenen Kuchen. Zweimal musste dieses für uns alle wichtige Ereignis schon coronabedingt ausfallen. Wir freuen uns sehr, wenn das nächste SpenderInnencafé wieder möglich ist!
Die ehrenamtliche Initiative „Konto 2008“
- Die ehrenamtliche Initiative besteht aus einem Vergabeausschuss, dem sieben Personen angehören.
- Jeden Monat sammelt sie für ein anderes soziales Projekt.
- Ziel ist es, einen Beitrag zu leisten, damit die weltweite Kluft zwischen Arm und Reich kleiner wird.
- Die Spenden kommen zu 100 Prozent bei den sozialen Projekten und Menschen an, für die sie gedacht sind.
Schon gewusst?
Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg ( https://www.elk-wue.de/index.php?type=13)
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