Ein geistlicher Impuls von Pfarrerin Barbara Wurz
Angesichts des Krieges in der Ukraine, angesichts von Vertreibung, Kriegsverbrechen, Hunger, Not und Zerstörung fühlen wir uns hilflos und schwach, und viele fragen sich: Wie kann ich da eigentlich noch beten? Es hilft doch sowieso nichts. Oder sie fragen: Wie kann ich beten, wenn ich in meinem Glauben unsicher bin – oder gerade jetzt immer unsicherer werde? Über die Kraft des Gebets gerade in Momenten der Unsicherheit hat Rundfunkpfarrerin Barbara Wurz nachgedacht.
„Ich glaube nicht an Gott – aber heute bete ich für mein Volk.“ Das ist die Aussage einer jungen Frau aus der Ukraine, den ich bei Instagram in den ersten Kriegstagen gelesen habe. Auf einem Bild ist sie zu sehen, und Ich spüre den großen Ernst und die Kraft, mit der sie das sagt. Gerade hatte die ganze Welt hilflos zugesehen, wie ein brutaler Krieg mitten in Europa ausgebrochen ist, aber die Frau wirkt nicht hilflos oder panisch. Sie ist machtlos gegenüber der Gewalt, aber sie flüchtet sich nicht – wie in der Not bekehrt – zu einer höheren Macht, zu Gott. Nein, sie bleibt dabei: „Ich glaube nicht an Gott.“ Und trotzdem betet sie.
Ist das überhaupt ein Gebet, habe ich mich unwillkürlich gefragt. An wen wendet sich die junge Frau? Wozu beten, wenn doch niemand da ist, der helfen könnte?
Niemand ist da – diese ungeheure Not spüre ich auch in den Worten, mit denen Jesus selbst gebetet hat in seiner größten Verzweiflung: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27, 46) Am Kreuz hat er den Tod vor Augen. Seine Gegner rauben ihm sein Leben. Aber am schlimmsten ist wohl das Gefühl, von Gott verlassen zu sein. Und trotzdem betet er zu seinem Gott, der scheinbar nicht da ist. Ganz ähnlich wie die junge Frau: Beide lassen sie nicht los. Sie akzeptieren die Sinnlosigkeit nicht. Akzeptieren nicht, dass nichts und niemand das Unrecht wahrnimmt, das gerade geschieht.
Ist das überhaupt ein Gebet, habe ich mich gefragt. Und ich meine: Ja. Womöglich liegt hier seine tiefste Bedeutung offen zutage: Wer betet, der lässt sich von der Sinnlosigkeit nicht fortreißen. Der hält fest daran, dass die Welt für Gerechtigkeit, Respekt und Liebe bestimmt ist. Als ihr Land im Chaos versinkt, fordert die junge Frau genau das ein. Und ich hoffe, dass sie niemals aufhören wird, sich Gehör zu verschaffen und zu beten.
Rundfunkpfarrerin Barbara Wurz
Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg ( https://www.elk-wue.de/index.php?type=13)
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