Seit mehr als 1.000 Jahren rufen Glocken Christen zum Gottesdienst und zum Gebet. Feierliches Läuten vor Gottesdiensten, Läuten zu bestimmten Zeiten, um zu erinnern. Zu freudigen und traurigen Anlässen, zu Taufen, Trauungen und Beerdigungen. Dabei gleicht keine Glocke der anderen. In der württembergischen Landeskirche gibt es rund 5.200 Glocken. Die größte Glocke hängt in Freudenstadt – mit 7960 kg Gewicht, die tontiefste Glocke findet sich in Herrenberg (fº).
Voraussichtlich 2025 beginnt wieder eine zweijährige Aus- und Fortbildung zum/zur Glockensachverständigen. Der Kurs wendet sich sowohl an designierte Glockensachverständige (Ausbildung) als auch an bereits amtierende Glockensachverständige (Fortbildung) sowie an Dekanats- und Regionalkantoren. Restplätze werden an Studierende mit einem besonderen Interesse an Glocken vergeben.
Die Aus- und Fortbildung wird an den Hochschulen für Kirchenmusik (HfK) in Heidelberg, Halle und Regensburg durchgeführt und ist bei bestandenen Prüfungen als (frei wählbares) Modul in Bachelor- und Master-Studiengängen anrechenbar. Der Beratungsausschuss für das deutsche Glockenwesen (BA) verleiht nach zusätzlichen Ausbildungsleistungen und einer weiteren Prüfung als Gütesiegel für Mindeststandards im Glockensachverständigenwesen das Zertifikat „Zertifizierter Glockensachverständiger (BA)“ / „Zertifizierte Glockensachverständige (BA)“.
Mehr Informationen erhalten Sie auch über den Beratungsausschuss für das deutsche Glockenwesen auf www.glocken-online.de/.
Wann wird geläutet?
Jede Kirchengemeinde hat eine sogenannte „Läuteordnung“, erklärt der Glockensachverständige i. R. der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Claus Huber: „Durch das tägliche Läuten kommt die Kirche auch werktags ins Haus“. Geläutet wird traditionell zum Tagesanbruch gegen sechs oder sieben Uhr zum Morgengebet, mittags zum Friedensgebet und bei Einbruch der Dunkelheit zum Abendgebet. Nicht alle Gemeinden läuten zusätzlich noch bis zu viermal täglich die Kreuzglocke im Gedenken an die Passion Christi. Eher selten werde um neun Uhr zur Aufrichtung des Kreuzes geläutet, so Huber. Um elf Uhr erinnert das Kreuzläuten an die einbrechende Finsternis und den Beginn des Todeskampfes Christi. Das Läuten um 15 Uhr markiert seine Todesstunde. „Manchmal geschieht dies freitags wie etwa in der Esslinger Stadtkirche mit einem besonderen Geläut“, erklärt Huber. Das Vesperläuten zwischen 16 und 18 Uhr sei Zeichen für die Kreuzabnahme und Grablegung.
„Zeichenläuten“
Mit dem „Zeichenläuten“ wird auf den nahenden Gottesdienst hingewiesen. Die ersten Klänge gibt die Zeichenglocke. Das Läuten vor dem Gottesdienst diene aber auch dazu, dass sich Menschen innerlich darauf vorbereiten, sagt der Glockenfachmann i.R.. Meist gibt es zwei „Vorzeichen“, eine ganze und eine halbe Stunde vor Beginn, bevor dann zum Anfang des Gottesdienstes mit mehreren oder allen Glocken geläutet wird.
Zu bestimmten Anlässen kommt dann im Gottesdienst jeweils nur eine Glocke zum Einsatz: Mit der Taufglocke rufe man diejenigen zur Fürbitte für Täufling und Taufeltern auf, die nicht im Gottesdienst anwesend sind. Das gleiche gelte für das Läuten während des Vaterunsers, das zum Mitbeten einlade. In manchen Gemeinden erklingt noch die Schiedglocke, wenn im Ort jemand verstorben ist.
Etliche Traditionen seien auch verloren gegangen, bedauert Huber. Aus Rücksicht auf Anwohner blieben die Glocken oft am Sonntagmorgen zum Betläuten stumm. „Manche Gemeinden besinnen sich aber auch wieder auf die alten Traditionen.“ Den Esslinger freut besonders, dass in seiner Heimatstadt seit einigen Jahren die Tradition des „Christi Angstläuten“ am Donnerstagabend wieder aufgenommen wurde. „Es dient dem Gedächtnis an den Gebetskampf von Jesus im Garten Gethsemane“, erläutert Huber. Geläutet wird dafür mit der ältesten Glocke im Turm der Stadtkirche. Sie wurde um 1200 gegossen, ist 700 Kilo schwer und diente früher als Feuer- und Sturmglocke. Sie ist durch ihren harten und dissonanten Klang charakterisiert und passt deshalb zum Anlass besonders gut.
Eine schöne Tradition ist laut Huber auch das Einläuten der Sonn- und Feiertage am Vorabend. Huber plädiert dafür, dass das Zusammenspiel der Glocken dem Anlass angepasst wird: „Zu einem Auferstehungsgottesdienst muss man anders Läuten als zu einer Passionsandacht.“ In der Zeit vor Ostern rät er dazu, das Läuten zu reduzieren. Traditionell schweigen die Glocken als Zeichen der Trauer ab Karfreitag und erklingen erst in der Osternacht oder dem Ostermorgen wieder.
Glocken als Uhr
Beschwerden gebe es eher selten wegen des Läutens der Glocken zu bestimmten Anlässen, sondern häufiger wegen des Uhrschlags in der Nacht, weiß Huber. Dieser unterliegt anders als das Geläut den Lärmschutzrichtlinien. Gibt es Klagen, nimmt der Sachverständige vor Ort Messungen vor und gibt Tipps, wie man etwa durch Veränderungen an den Schallläden oder den Uhrhämmern den Schall reduzieren kann. „Das Läuten zu Gebet, Gottesdienst oder anderen liturgischen Anlässen fällt nicht unter die TA Lärm sondern steht unter dem Schutz der Religionsfreiheit“, erklärt Huber. Dennoch nähmen viele Gemeinden Rücksicht auf veränderte Lebensgewohnheiten. „Manche Menschen vermissen den Glockenklang aber auch, wenn zu bestimmten Zeiten nicht mehr geläutet wird.“
Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg ( https://www.elk-wue.de/index.php?type=13)
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