Prävention – Intervention – Hilfe und Aufarbeitung
Sexualisierte Gewalt wahrzunehmen und zu überwinden ist schon seit vielen Jahren Thema in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Sie verurteilt jede Form sexualisierter Gewalt und stellt sich aktiv ihrer Verantwortung als Arbeitgeberin und Trägerin kirchlicher Einrichtungen. Es gilt: „Null Toleranz gegenüber sexualisierter Gewalt“.
Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die Maßnahmen, Strukturen, Projekte und Abläufe, mit denen die Evangelische Landeskirche in Württemberg versucht, Unrecht aufzuklären, Opfern gerecht zu werden und die Menschen in ihrem Einflussbereich vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Zusätzliche Links führen zu vertiefenden Informationen und Kontaktmöglichkeiten. In der linken Spalte finden Sie gesondert eine Aufstellung zu Aufarbeitung und Prävention im Diakonischen Werk Württemberg.
Als Gliedkirche der EKD unterstützt die Evangelische Landeskirche in Württemberg die Initiative „Kein Raum für Missbrauch“ der Bundesregierung.
Die Leitung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg bedauert zutiefst, dass Kinder und Jugendliche durch Mitarbeitende oder institutionelles Versagen einer Körperschaft oder Einrichtung in der Evangelischen Landeskirche Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind. Sie setzt sich durch klare Verfahrensregeln bei Fällen von sexualisierter Gewalt und durch umfangreiche Maßnahmen der Prävention dafür ein, dass solche Grenzverletzungen geahndet und künftig verhindert werden.
Aufklärung und Prävention – Wie die evangelische Landeskirche mit dem Thema Missbrauch umgeht
Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche, die Hilfe für die Betroffenen und der Schutz davor hat für die Evangelische Landeskirche in Württemberg oberste Priorität. Nicht nur, weil Vertrauen ausgenutzt und dadurch die Botschaft des Evangeliums konterkariert wurde, sondern weil die Betroffenen ein Leben lang an den Folgen leiden.
Wenn die Landeskirche Maßnahmen der Intervention, der Aufarbeitung und der Prävention ergreift, so tut sie das, um Menschen zu schützen und zu stärken und nicht, um Schaden von der Kirche abwenden zu wollen.
Es geht nicht um den Schutz der Institution. Es geht um den Schutz der Betroffenen und die Anerkennung des im Raum der Kirche geschehen Leids. Ebenso, um den eigenen blinden Flecken auf die Spur zu kommen. Das geht nur zusammen mit den Betroffenen: Zwei Betroffenenforen wurden bereits durchgeführt. Auch die eigene Theologie soll selbstkritisch überprüft werden.
Was tut die Landeskirche für Intervention, Aufarbeitung und Prävention?
- Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden*: Bei einem schwerwiegenden Verdacht werden bereits seit vielen Jahren die Ermittlungen immer direkt an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden abgegeben, soweit nicht der ausdrückliche Wunsch der betroffenen Opfer dem entgegenstand.
- Einrichtung einer Anlaufstelle zur sexualisierten Gewalt: Seit 2010 sind in der Anlaufstelle ca. 190 Meldungen zu Grenzüberschreitungen, Vorfällen und Beratungsanfragen zu fachlichem Fehlverhalten aus den Bereichen Kindergärten, Freizeiten, ehrenamtlicher Mitarbeiterschaft, Peer-Gewalt in Konfirmandengruppen usw. eingegangen. Alle diese Meldungen wurden bearbeitet, selbst wenn die Fälle strafrechtlich verjährt waren. Wo immer möglich wurde ein Disziplinarverfahren eröffnet und zum Abschluss gebracht. Auch wenn Taten viele Jahre zurücklagen, wurden z.B. Pfarrer noch nachträglich aus dem Pfarrdienst entlassen. Mehr Informationen zur Anlaufstelle.
- Unabhängige Kommission: Um Betroffenen, die sexualisierte Gewalt durch Mitarbeitende in der Landeskirche und Diakonie erfahren haben, Unterstützung anzubieten, wurde 2015 eine unabhängige Kommission ohne kirchliche Funktionsträger eingerichtet. Mehr Informationen über die unabhängige Kommission finden Sie hier.
- Anerkennungsleistungen: Die unabhängige Kommission hat bisher 188 Anträge bearbeitet: In 166 Fällen hat sie Betroffenen von sexualisierter Gewalt sogenannte Anerkennungsleistungen, ergänzende Hilfeleistungen und Therapiekosten in Höhe von ca. 3 Mio Euro zugesprochen, 3 Fälle warten derzeit noch auf Anerkennung, 3 Anträge sind abgelehnt worden und 16 Anträge sind zuständigkeitshalber weiter verwiesen worden.
- Sichtbarmachen von Ursachen und Folgen: Seit 2021 läuft das Projekt „Auf! – Aufarbeitung und Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch in Einrichtungen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg“, das wissenschaftlich durch das Team von Prof. Dr. Jörg Fegert aus Ulm durchgeführt wird. Dabei geht es um das Sichtbarmachen von Ursachen und Folgen sexualisierter Gewalt an konkreten Fällen von Missbrauch und sexualisierter Gewalt im Umfeld der evangelischen Seminare und des Hymnus-Chores in den 1950-er bis 1970-er Jahre.
- Teil 1 der Studie beschäftigt sich mit den Vorfällen in der Vergangenheit. Die Opfer sexualisierter Gewalt sollen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse berichten können.
- Im zweiten Teil der Studie werden die Präventions- und Schutzkonzepte im Bereich der Seminare, des Hymnus-Chores und des Jugendwerkes untersucht. Mehr Informationen finden Sie hier.
- Gewaltschutzgesetz: Am 25.11.2021 hat die 16. Landessynode ein Gewaltschutzgesetz beschlossen. Dieses Gesetz ist am 1.1.2022 in Kraft getreten. Auch die Kirchliche Anstellungsordnung wurde entsprechend ergänzt. Das Gewaltschutzgesetz umfasst die Bereiche Intervention, Prävention, Aufarbeitung sowie Hilfe und Anerkennung. Darin ist die Grundlage kirchlichen Handelns formuliert: Wer kirchliche Angebote der Evangelischen Landeskirche in Württemberg wahrnimmt oder entsprechend § 1 Absatz 5 in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mitarbeitet, ist vor allen Formen sexualisierter Gewalt zu schützen. Mehr Informationen finden Sie hier.
- Verbindlichkeit durch Standards: Dienst- und arbeitsrechtlich bringen die Änderungen durch das Gewaltschutzgesetz Klarheit und Verbindlichkeit durch Standards: Abstinenz- und Abstandsgebot, Tätigkeitsausschluss bei entsprechenden Vorstrafen und Meldepflichtbei hinreichendem Verdacht.
- Strukturierte Handlungs- und Notfallpläne: In Fällen eines begründeten Verdachts auf sexualisierte Gewalt soll angemessen im Rahmen strukturierter Handlungs- und Notfallpläne interveniert werden können. Daher liegen klare Standards und Interventionspläne vor. Schulungen zu Intervention und Prävention auf der mittleren Leitungsebene sind bereits erfolgt. Mehr zu den Handlungs- und Interventionsplänen finden Sie hier.
- Schulungskonzept: Daneben gibt es ein Schulungskonzeptder Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), bei dem aktuell schon 50 Personen aus Württemberg ausgebildet worden sind, die als sogenannte Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zur Initiierung, Umsetzung und Beratung von Schutzkonzepten vor Ort zur Verfügung stehen. Mehr zu Schulungen und Tagungen.
- Neben der Materialerstellung und Veröffentlichungen gibt es regelmäßige Fachtage. Materialien finden Sie hier.
- Die Koordinierungsstelle Prävention der Landeskirche informiert zu Risikoanalysen und Schutzkonzepten. Mehr zur Koordinierungsstelle.
* Kein eigenes Strafrecht: Entgegen einem weit verbreiteten Missverständnis hat die Landeskirche kein eigenes Strafrecht. Als Staatsbürger und Staatsbürgerinnen unterliegen alle kirchlichen Mitarbeitenden, selbstverständlich auch die Kirchen selbst als Organisationen und als Körperschaften des öffentlichen Rechts, den gleichen staatlichen Vorschriften und Vorgaben wie alle anderen Organisationen und juristischen Personen in diesem Land. Dieser Umstand setzt bei der Aufarbeitung Grenzen, wenn Taten nach dem Strafgesetzbuch verjährt sind. In diesen Fällen unternimmt der Staat nichts mehr. Die Kirchen können dann nur arbeitsrechtlich oder nach den Vorgaben des kirchlichen Disziplinarrechts dienstrechtlich vorgehen.
Stand: 12. April 2023
Im Folgenden finden Sie diesen Text als PDF-Datei zum Download:
Überblick: Aufklärung und Prävention – Wie die evangelische Landeskirche mit dem Thema Missbrauch umgeht (Stand: 12. April 2023)
Studie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt – Projekt „Auf! – Aufarbeitung und Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch in Einrichtungen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg“
Die Landeskirche hat 2021 eine Studie beauftragt, die Fälle von Missbrauch in den 1950er und 1960er Jahren im Bereich der Evangelischen Seminare, des Hymnus-Chores und des Esslinger CVJM-Freizeitgeländes „Dulkhäusle“ untersuchen soll – mit dem Ziel, aus strukturellen Fehlern der Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft zu lernen. Dafür werden Betroffene und Zeitzeugen gesucht, die sich bei Projekt.Auf@uniklinik-ulm.de melden können. Hier finden Sie mehr Informationen zur Studie.
Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg ( https://www.elk-wue.de/index.php?type=13)
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