An einem Montagmorgen – wie ein Gespräch in der S-Bahn hoffnungsvoll stimmte. Ein Impuls von Judith Hammer, Redakteurin in der Pressestelle.
Es ist Montagmorgen, ich dränge mich in der vollen S-Bahn an Laptoptaschen und einer Kuchenform voller Muffins vorbei. Erleichtert sinke ich auf einen freien Platz am Fenster und nehme meinen Krimi aus der Tasche. Gerade will ich mich in die letzten Seiten vertiefen und erfahren, ob das Sondereinsatzkommando den Menschenhandel im Freihafen von Stockholm endlich auffliegen lässt, da höre ich die Frau neben mir sagen: „… wir haben dieses Ritual: Das Personal und die anderen Patienten stellen sich in zwei Reihen auf, und wir pusten Seifenblasen in die Luft, durch die das Kind hindurch gehen kann, oder… ja… geschoben wird. Das machen wir immer, wenn wir ein Kind palliativ entlassen. Und wenn es nur der kurze Weg vom Zimmer zum Aufzug ist.“
Die Frau ihr gegenüber schweigt, und sagt dann: „Jetzt bekomme ich eine Gänsehaut.“ Ich auch, denke ich und sehe aus dem Fenster. Ich versuche, nicht zu lauschen, aber reime mir bei den nächsten Sätzen zusammen, dass die beiden Frauen auf Kinderstationen in Krankenhäusern arbeiten, und sich über ihren Alltag austauschen.
„Wir hängen manchmal Schmetterlinge aus Papier an die Decke, die bewegen sich, das sieht so schön aus, und so leicht“, sagt jetzt eine von ihnen, „Und wir haben einen Gedenktisch, mit Kerze und Foto für einen letzten Gruß oder Erinnerungen. Aber manche Eltern möchten das nicht sehen, und vor allem nicht, dass ihr Kind es sieht.“ Verständnisvolles Nicken.
Ich höre von Wochenplänen, an denen ein Kinotag, ein Backtag oder ein Basteltag ihre festen Plätze haben, davon, wie sehr sich die Kinder darauf freuen und ihren Lieblingstag jede Woche kaum erwarten können. Ich höre, welche Spiele sich eignen, und dass nicht immer alle mitmachen können; dass jetzt gerade ein Kind eine spürbare Lücke hinterlassen hat, weil es immer so lebhaft war.
Zu meinem Buch kehre ich auf dieser Fahrt nicht zurück. Ich bin betroffen und sehr beeindruckt davon, wie ernst hier große und kleine Bedürfnisse genommen werden, auch wenn es nur für ein paar Tage ist, auch wenn nicht alles geht, oder nur für ein paar Stunden anhält. Und ich merke, dass mich das hoffnungsvoll stimmt.
Hoffnungsvoll, weil an einem Ort, den ich nicht kenne, alles, was da ist, seinen Platz zu haben scheint, und gewürdigt wird. Hoffnungsvoll, weil das vielleicht auch an anderen Orten möglich ist. Bedürfnisse, Wünsche, als Ausdruck des Lebens, ernst nehmen, auch wenn es Kleinigkeiten sind, von uns selbst, oder den Menschen, die uns anvertraut sind. Diese Kleinigkeiten könnten viel bedeuten. Mir kommt der Gedanke, dass Gott das auch gefallen könnte: Dass wir das Leben in seinen Facetten würdigen, bei uns und bei anderen, nichts untergehen lassen. Auch dann, wenn es schwerfällt, weil es gerade nicht passt. Auch dann, wenn man es leicht vergisst, weil die großen Dinge gerade die kleinen zur Seite drängen. Auch einmal das tun, was nicht lebensnotwendig ist und groß, sondern ganz klein, und was gerade deshalb überall hineinpasst. Seifenblasen und Schmetterlinge, auch auf dem kurzen Weg vom Zimmer bis zum Aufzug.
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Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg ( https://www.elk-wue.de/index.php?type=13)
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Dieser Beitrag verfällt am 23. November 2024.