Neujahrsfrühstück mit Paulus

Eigentlich hab ich’s nicht so mit dem Apostel Paulus. Zu verschwurbelt ist er für mich und lebensfern, gefühlt auch dann noch ein Kerkermeister, wenn er von der Freiheit spricht. Aber nun muss ich, ob ich will oder nicht, ein ganzes Jahr lang mit ihm leben. Weil die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen diesen Satz hier als Losung für 2015 ausgewählt hat: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“ Römer 15,7 und damit aus der Feder – ja natürlich – von Paulus.

Wie leichtfüßig ist da doch der gestrige Abend dahergekommen! Koch jedenfalls allein zu Haus, ein letztes Essen 2014 aus der Dose, mäandernd zwischen „Silvesterstadl“ und „Hannes und der Bürgermeister“ das persönliche Fernsehprogramm, dabei die Beine hochgelegt und wenn überhaupt an etwas, dann gerade noch so an Mario Götze und sein WM-Titeltor, aber gewiss nicht an den ungeliebten Herrn Heidenmissionar denkend.

Jetzt aber am Neujahrsmorgen holt mich der Apostel ein, und es gibt quasi Paulus zum Frühstück: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“ Wobei ich mir und Ihnen diesen Satz jetzt eigentlich erklären, sprich ihn exegesieren müsste. Das überlasse ich Berufeneren. Darf ich stattdessen umformulieren, ausschmücken, ergänzen, und das in meiner Sprache? Also ich verstehe die Jahreslosung 2015 so: „Geht aufeinander zu, und das auch dann, wenn ihr euch vielleicht gar nicht leiden könnt! Das fällt euch natürlich schwer. Aber ihr habt ein Vorbild dafür: Jesus Christus. Dem gefällt auch nicht alles, was ihr macht. Trotzdem nimmt er euch an. Orientiert euch deshalb an ihm! Und indem ihr das tut, tut ihr Gottes Willen. Denn Gott will, dass alle seine Menschen gut miteinander auskommen.“

D’accord? So jedenfalls kann man, finde ich, sogar mit Paulus etwas anfangen und ihn auf alle möglichen Lebensbereiche anwenden: auf die Familie, auf die Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz, auf die Politik. Denn eigentlich geht es überall da, wo Menschen miteinander zu tun haben, darum, dass sie einander annehmen. Und von daher ist die Losung 2015 nicht nur spröde paulinische Theorie, sondern ein guter praktischer Ratgeber für jeden einzelnen Tag im neuen Jahr.

Apropos Politik: Wer angeblich oder wirklich das christliche Abendland verteidigen möchte, darf nicht Menschen ausgrenzen. Annehmen heißt stattdessen die Devise. Die aber verdanken wir nicht zuletzt Paulus. Und darum nun doch noch Hut ab vor dem Apostel! Oder anders ausgedrückt: Pegida ist out, Paulus ist in. Auch in diesem Sinn auf ein gesegnetes Jahr des Herrn 2015!

Das meint Koch. Und was meinen Sie?

Quelle: Koch meint… ( http://kochmeint.wordpress.com/feed/)
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