Frühjahrstagung 2023

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl bei seinem ersten Bischofsbericht.Bild: Gottfried Stoppel

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl macht in einer herausfordernden Zeit Mut zum Handeln 

In seinem ersten Bericht vor der 16. Landessynode beleuchtete Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl aktuelle Herausforderungen der Landeskirche. Außerdem legte der leitende Geistliche dar, wo die Schwerpunkte der kirchlichen Arbeit in der kommenden Zeit liegen sollten. 

Im vergangenen Juli wurde Ernst-Wilhelm Gohl in sein Amt als Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg eingeführt. Bei zahlreichen Antrittsbesuchen und Begegnungen hat er die Erfahrung gemacht, dass gesellschaftliche Akteurinnen und Akteure aus Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft in einer Zeit, in der die Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft schwindet, noch immer viele Erwartungen an die Kirche haben.  

Im Januar 2023 hat Landesbischof Gohl seine erste Auslandsreise nach Georgien unternommen, als der württembergische Pfarrer Rolf Bareis als Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Georgien und dem Südlichen Kaukasus eingeführt wurde. Beeindruckt blickte Gohl in seinem Bericht auf diese Reise zurück. Denn in Georgien werde deutlich, dass auch eine kleine Kirche durch ein klares evangelisches Profil und diakonische Arbeit sehr positiv auf eine Gesellschaft einwirken könne. Außerdem hat Gohl dort erfahren, wie wichtig die ökumenische Verbundenheit in Europa ist, besonders angesichts des Kriegs in der Ukraine. 

Gohl beobachtete in den ersten Monaten seiner Amtszeit aber auch Verunsicherung bei vielen Menschen in der Landeskirche, weil die Zahl der Kirchenaustritte trotz vieler Bemühungen, dem entgegenzuwirken, nicht kleiner wird. In seinem Bericht plädierte er für einen realistischen Blick auf diese Situation. Und rief auf: „Lasst uns überlegen, wie wir mit unseren Kirchenmitgliedern besser ins Gespräch kommen und wie wir die frohe Botschaft in die Welt tragen.“ 

Der Landesbischof beobachtete im vergangenen Dreivierteljahr auch eine öffentliche Stimmung, dass sich Menschen der Kirche gegenüber „abwertend“ äußern würden. Deshalb ermutigte er: „Umso wichtiger, dass wir uns kirchenintern nicht auch noch schlecht reden, sondern ermutigen und auf das Gelingende schauen – und da gibt es so viel!“

Neben strukturellen Veränderungen zählen auch die Prävention gegen sexualisierte Gewalt in der Landeskirche und der Prozess zur Ablösung von Staatsleistungen zu den momentanen Herausforderungen. Die aktuellen gesellschaftlichen Krisen sind auch für die Landeskirche herausfordernd – ob die Folgen der Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg oder die Klimakrise. 

Welche Aufgaben vor der Landeskirche liegen 

Stärkung kirchlicher Arbeit in den Gemeinden 

Durch die Corona-Pandemie hat sich das kirchliche Leben verändert. Es gibt eine „Vereinsamung“. Weniger Menschen Veranstaltungen und Gottesdienste vor Ort. Für die Arbeit in den Gemeinden hält Gohl für entscheidend, sich verstärkt zu vergewissern, dass Glaube und Kirche „aus der Verheißung Jesu Christi leben“. Im Mittelpunkt der kirchlichen Arbeit müsse die „religiöse Erfahrung“ und die „Daseinsweitung“ stehen.  

Weiterentwicklung des Pfarrdienstes 

Auch der Pfarrdienst soll weiterentwickelt werden, etwa das Berufsbild des Pfarrers und der Pfarrerin. Was Studienangebote an Freien Hochschulen wie der Internationalen Hochschule in Liebenzell angeht, müsse darüber nachgedacht werden, ob solche Studienleistungen an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Tübingen angerechnet werden könnten. 

Fortführung des Kulturwandels zum Schutz vor sexualisierter Gewalt  

„Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche, die Hilfe für die Betroffenen und der Schutz davor hat für die Kirche oberste Priorität“, sagte Ernst-Wilhelm Gohl. Seit 2022 gibt es das Gewaltschutzgesetz, das kirchliche Einrichtungen zur Einführung von Schutzkonzepten verpflichtet. Außerdem hat die Landeskirche bereits zweimal zu Betroffenenforen eingeladen. Nicht zuletzt sollen auch toxische theologische Traditionen überprüft werden. 

Beten und helfen angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 

Ebenso muss sich die Landeskirche mit den Haltungen zum völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auseinandersetzen. Für wichtig halte er, dass die Diskussion über die Frage der Waffenlieferungen „fair und respektvoll“ geführt werde, sagte der Landesbischof. Gohl sagte: „Um der Ohnmacht und dem Schmerz über diesen Krieg etwas entgegenzusetzen, haben die Kirchen in ganz Europa in den letzten Monaten immer wieder zum gemeinsamen Gebet aufgerufen.“ Um Ukrainerinnen und Ukrainer aus dem Kriegsgebiet in Deutschland Schutz gewährleisten zu können, wolle die Kirche die diakonische Arbeit vor Ort unterstützen. Gohl erinnerte daran, dass 2022 diese Arbeit mit 600.000 € gefördert wurde. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg unterstützt seit Jahren auch die Arbeit mit Geflüchteten an den anderen Außengrenzen Europas. 

Für eine angemessene Ablösung der Staatsleistungen 

Die Verhandlungen zur Ablösung von Staatsleistungen sollen fortgeführt werden. Derzeit wird auf Bundesebene ein Grundsätzegesetz erarbeitet. Zwischen Juni 2022 und Januar 2023 seien beim Bundesinnenministerium Bund-Länder-Kirchen-Gespräche geführt worden. In einem Kernpunktepapier hätten die Kirchen festgehalten, dass eine angemessene Leistung für sie eine Ablösung nach dem „Äquivalenzprinzip“ bedeute, erklärte Gohl.  

Um den Klimawandel zu begrenzen, sind große Veränderungen nötig 

Das Klimaschutzgesetz, das auf der Herbsttagung der Landessynode im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, sieht zahlreiche Maßnahmen vor, damit die Landeskirche bis 2040 klimaneutral ist. Dazu gehören der Ausbau der Photovoltaik-Anlagen und die Sanierung oder Aufgabe von Gebäuden, sagte Landesbischof Gohl. Außerdem sollte die Kirche als Forum dienen, um über Ziele und Methoden rund um den Klimaschutz zu diskutieren. „Und im Hinblick auf die Verantwortung, die wir gegenüber nachfolgenden Generationen haben, geht es um die Sicherung ihrer Freiheitsrechte“, erklärte Gohl. Um die Freiheit zukünftiger Generationen zu gewährleisten, sei Verzicht notwendig. 

Gesprächskreisvoten

Steffen Kern sprach für den Gesprächskreis Lebendige Gemeinde.Bild: Gottfried Stoppel

Votum für den Gesprächskreis Lebendige Gemeinde

Steffen Kern hielt das Votum für den Gesprächskreis Lebendige Gemeinde, das Sie im Folgenden im Wortlaut finden:

Vielen Dank für diesen Auftakt: für dieses erste Kapitel in einer Geschichte von Bischofsberichten, die in den nächsten Jahren zu schreiben sein werden. Schon der Aufschlag macht deutlich: Es werden wohl historische Bischofsberichte, weil unsere Landeskirche wie andere eine historische Umbruchszeit erlebt:

  • den Wandel von der Volks- zur Minderheitenkirche,
  • den Wandel vom reinen Parochialprinzip hin zu einer sich regio-lokal entwickelnden Kirche,
  • den Wandel von einer starken Zentrierung auf das Pfarramt hin zu einer stärker multiprofessionellen Dienstgemeinschaft…

Es geht längst nicht nur um einen vielfachen Wandel, sondern um eine grundlegende Verwandlung – um an Ulrich Beck anzuknüpfen: Es geht um eine „Metamorphose der Kirche“. 

Die Metamorphose geschieht. Sie wartet nicht auf Entscheidungen von kirchenleitenden Organen. Als Synoden und Oberkirchenräte haben wir allerdings zu unterscheiden zwischen dem, was uns schlicht widerfährt und wir nicht ändern können, und dem, was wir gestalten können und sollen. Das entlastet. Und das verpflichtet.

Lieber Herr Landesbischof, in diesem Sinne vielen Dank für Ihre achtsamen, auch sehr persönlichen Wahrnehmungen, für Ihre behutsamen Erwägungen und für Ihre sorgsame Beschreibung von Aufgaben!

Sie nennen nicht nur harte Fakten – Sie nehmen auch Atmosphäre wahr. Spannungen, Sorgen und Ängste, Unsicherheit und Müdigkeit. Danke für Ihre Ermutigung zu mehr Fehlerfreundlichkeit und Experimentierfreude! Das tut gut zu hören. Es ist eine Haltung ganz im Geist des Evangeliums: Sie befreit und lässt uns Neues wagen. 

Diese Haltung braucht eine verunsicherte Kirche. Und ja, diese Kirche hat die Verheißung, gegen den Trend zu wachsen. Freilich keineswegs als Trendumkehr, aber im Kleinen, im Unscheinbaren, in verschiedenen Sozialräumen. Kirche wächst, weil sie Verheißung hat.

Sie nennen als ersten Aufgabenbereich die Kirchengemeinden. Danke! Diesen Ansatz teilen wir. Kirche ist, wo Gemeinde lebt! Damit ist auch für alle Spar- und Kürzungsmaßnahmen eine klare Priorität gesetzt. Gemeinden haben Vorrang. – Zugleich ziehen wir die Linie weiter aus. Ja, „religiöse Erfahrungen können in Kirchen (…) gemacht werden“ – aber nicht nur da. Sondern auch und vermehrt in der Welt. Darum sagen wir: Die Kirche muss raus aus vielen Gebäuden und als Hoffnungsbewegung hinaus in die Welt. Verkündigend. Singend. Dienend. Mobiler muss sie werden. Missonarisch wirksam und missional gestaltet. Kirche mit leichtem Gepäck. Diakonisch. Pädagogisch. Sozialpädagogisch. Innovativ. Zielgruppenorientiert. Verknüpft mit Akteurinnen und Akteuren im Gemeinwesen, mit Schulen, Familienzentren, Vereinen. Auch in neuer Weise mit freien Werken und Gemeinschaften verbunden, mit diakonischen Trägern und Verbänden. Hier braucht es neue Vereinbarungen (ein Stichwort: Pietistenreskript). Neue Formen, wie Freiheit und Zusammengehörigkeit gelebt werden können. Eben keine Haltung der Angst, sondern mehr Experimentierfreude. Mut zu Erprobungsräumen. Und Vertrauen.

Mit Vertrauen halten wir Fragen aus, wie etwa die folgenden:

  • Wie kann Gemeinde gelebt, gestaltet und geleitet werden, teilweise auch ohne die Beteiligung von Pfarrerinnen und Pfarrern?
  • Wie können Menschen am kirchlichen Leben partizipieren, mitarbeiten und mitgestalten, ohne Kirchenmitglied zu sein?

Wir kennen in punkto Kirchenmitgliedschaft nur Ja oder Nein. Schwarz oder Weiß. Plus oder minus. Christian Grethlein stellt fest: „Die binäre Kodierung der Kirchenmitgliedschaftsregel lässt keine dynamischen Übergänge zu“.  Darum regen wir an zu fragen:

  • Welche neuen Formen von Zugehörigkeit zur Kirche kann es geben?
  • Warum kann nicht, wer noch nicht getauft ist, auch ohne Taufe zugehörig sein?
  • Warum kann nicht, wer ausgetreten, aber getauft ist, dennoch zugehörig bleiben?
  • Warum kann nicht, wer getauft ist, aber eine institutionelle Vollmitgliedschaft ablehnt, dennoch als Glied der Kirche geachtet werden?

Man kann solche Fragen brüsk zurückweisen. Und das theologisch begründet. Als LG meinen wir: Wir dürfen Menschen nicht zurückweisen. Darum müssen wir uns auf den Weg machen

Mutig fragen, mit Experimentierfreude Neues wagen und uns gegenseitig fehlerfreundlich begleiten: So gestalten wir den Wandel hin zu einer regio-lokalen Kirchenentwicklung, zu struktureller Vielfalt und hin zu multiprofessioneller Dienstgemeinschaft.

Damit zum Pfarrdienst:

Vielen Dank für Ihre Offenheit für die Anerkennung von Studienleistungen an freien staatlich anerkannten Hochschulen! Es ist gut, dass wir hier einen Schritt weiterkommen. Mehr noch: Es ist überfällig, dass wir hier einen Weg weitergehen.

Als LG danken wir zunächst allen Pfarrerinnen und Pfarrer, die über die BAiP (Berufsbegleitende Ausbildung in den Pfarrdienst) in den Dienst gekommen sind. Sie tun einen wertvollen, qualitativ hochwertigen Dienst und sind ein Segen für unsere Kirche. Es ist Zeit, dass wir als Synode diesen Zugangsweg wertschätzen und einfach einmal DANKE sagen.

Im Blick auf die freien staatlich anerkannten Hochschulen ist zunächst zu konstatieren, dass sie selbstverständlich zu einem anerkannten, akkreditierten akademischen Abschluss führen. Hier wird auf wissenschaftlichem Niveau gearbeitet. Freilich haben die Studiengänge bislang nicht das Ziel Pfarramt und sind daher anders zugeschnitten. Bachelor und Master können wir als Kirche auf lange Sicht nicht ignorieren. Aber machen wir uns keine Illusionen: Es ist völlig klar, dass die allermeisten der Absolventinnen und Absolventen überhaupt nicht den Pfarrdienst anstreben. Als Kirche sollten wir weniger fragen, wie wir Zugänge zum Pfarrdienst reglementieren können, sondern vielmehr, wie wir eigentlich junge Menschen gewinnen. Und sie dann vielfältig bestens qualifizieren. Das ist die Schlüsselfrage.

Dabei ist es keine Frage: Der Regelzugang zum Pfarrdienst wird gewiss weiter über ein Studium an der staatlichen Fakultät gehen. Aber wir regen an, Gespräche mit den Leitungen freier Hochschulen zu führen und zumindest zwei Wege gründlich zu prüfen:

Etablierung eines konsekutiven Masterstudiengangs an Theologischen Fakultäten, der auf einen Bachelor-Abschluss etwa an der IHL aufsetzt und zum Abschluss einer ersten Kirchlichen Dienstprüfung führt. Alternativ wäre die Entwicklung eines eigenen Masterstudienganges mit kirchlichem Abschluss an den freien Hochschulen zu prüfen.

Und ja, es braucht in der Tat sehr schnell praxistaugliche Wechselmöglichkeiten und Anerkennungen.

Noch ein Wort zu den Staatsleistungen:

Nachdrücklich unterstreichen wir die Orientierung am Äquivalenzprinzip. Es geht hier in der Tat nicht um Privilegien der Kirchen, sondern legitime Ersatz-Leistungen.

Ausdrücklich unterstützen wir die behutsamen Erwägungen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, zum Krieg in der Ukraine und zum Umgang mit dem Klimawandel. In der Tat: Die Freiheit eines Christenmenschen ist auch eine „Freiheit zur Selbstbegrenzung“ .

Danke schließlich für den geistlichen Blick und den wiederholten Fokus auf das Gebet: Krisen, Kriege und Klimawandel finden im Gebet Raum. Dieses Gebet verändert zuerst uns und so die Welt. Diese Metamorphose brauchen wir. Vielen Dank! 


Hellger Koepff sprach für den Gesprächskreis Offene Kirche.Bild: Gottfried Stoppel

Votum für den Gesprächskreis Offene Kirche

Hellger Koepff hielt das Votum für den Gesprächskreis Offene Kirche, das Sie im Folgenden im Wortlaut finden:

Vom NOCH zum DENNOCH – diesen Schritt zu gehen, ist nach Ansicht der Offenen Kirche nötig. Vom NOCH zum DENNOCH – damit soll mit anderen Worten aufgenommen werden, was unter dem Stichwort Kulturwandel im Bischofsbericht anklingt.

Zunächst auch von uns herzlichen Dank für die Einblicke aus den ersten Monaten im Amt und die Beschreibung der Herausforderungen. Es ist der Charme des Anfangs, unverstellt wahrzunehmen und echt zuzuhören. Daran schließe ich den Wunsch an, dass Du, Ernst-Wilhelm, auch noch in drei oder fünf Jahren den Menschen wirklich zuhörst und nicht alles sowieso schon weißt und dann nur von Dir und Deiner Sicht redest.

Persönliche Erfahrungen teilst Du. Persönliche Erfahrungen sind eigentlich nicht zu kommentieren. Inhaltlich soll das gelten, Dennoch: Mir fällt auf, wie immer wieder ein NOCH durchblitzt. Wertschätzung und Interessen werden Kirchenvertretern, so der Bericht, NOCH IMMER entgegengebracht. Menschen erwarten NOCH IMMER viel von uns als Kirche.

Dieses NOCH oder NOCH IMMER entspricht nicht dem, was wir aus den Erfahrungen in Georgien wie auch in anderen Diasporakirchen heraushören: Klares evangelisches Profil, gelassen und selbstbewusst vertreten. Formulierungen, die Stellung und Rolle der Kirche für die Menschen mit NOCH beschreiben, zeichnen unbewusst eine Linie, die sich nach unten neigt.

Aus dem DENNOCH der Psalmen lernen wir eine andere Bewegung, die des Umschwungs, die der gewiss angefochtenen aber als angefochtenen doch gewissen Hoffnung auf Gott, auf Jesus Christus als Herrn der Kirche, und auf den Heiligen Geist, der Entmutigte ermutigt. Das ist unsere Hoffnung. Das macht frei. Frei von den Allmachtsversuchungen einer ecclesia triumphans, frei von dem Starren auf Zahlen, frei für die Menschen, frei für eine klare Konzeption und nüchterne Entscheidungen in einer Kirche, die anders werden wird. Glaube und Kirche leben aus der Verheißung Jesu Christi. Das ist unsere Botschaft.

Als Kirchenleitung und als Christen insgesamt müssen wir diesen Schritt vom NOCH zum DENNOCH immer wieder gehen und einander mitnehmen. Darum Zustimmung, es geht nicht an, dass wir uns kirchenintern auch noch schlecht reden.

Vom NOCH zum DENNOCH.

Das bedeutet für die OK klare Positionierung für den gesellschaftlichen, sozialen und damit diakonischen Auftrag der Kirche. Wir müssen dort präsent sein, wo Menschen unter die Räder kommen. Sicher, in vielen Bereichen sind Gemeindeglieder, Haupt- und Ehrenamtliche hoch engagiert, der Bericht nennt Beispiele.

Aber: In der derzeitigen Situation weitere Kürzungen im Bereich der Friedens- und Flüchtlingsarbeit sind für uns der falsche Weg.

Wir können und wir müssen in Gemeinden, aber auch in Einrichtungen wie der Akademie Bad Boll Räume für faire und respektvolle Diskurse über die kontroversen Themen bieten. Geistliche Beheimatung und kontroverser Diskurs schließen sich gerade nicht aus, auch wenn die Tendenz heute genau das uns weismachen will.
Wer das Gefühl hat, die Kirche wird ihrem diakonischen Auftrag nicht mehr gerecht, dem fällt der Schlussstrich mit der Institution nicht mehr schwer.

Vom NOCH zum DENNOCH.

Menschen sehnen sich nach religiösen Erfahrungen, nach Daseinserweiterung. Wir teilen diese Einschätzung. Weil die Menschen ihre religiösen Antennen unterschiedlich ausrichten, braucht es die verschiedensten Formen in Gemeinden und Einrichtungen. Darum braucht es weniger Beschränkungen und mehr Ermöglichung. Als Kirche können wir so viel bieten. Wie viele tiefe religiöse Erfahrungen werden in der Seelsorge gemacht, nicht publikumswirksam, nicht zählbar, aber tiefgehend. Darum brauchen Pfarrerinnen und Pfarrer auch künftig Zeit und Freiheit zur Seelsorge und sie brauchen eine gute Ausbildung und Begleitung dafür.

Vom NOCH zum DENNOCH.

Pfarrerinnen und Pfarrer sollen ihren Dienst gerne und gut machen und dabei gesund bleiben. Das muss auch für die nächste Generation unter deutlich veränderten Rahmenbedingungen gelten. Wir sehen die genannten Problemanzeigen und Überlastungsphänomene. Das ist jedoch nicht in erster Linie ein Kommunikationsproblem. So wichtig es ist, die Kommunikation in den vier genannten Ebenen zu verbessern, wir brauchen auch im Pfarrdienst Aufgabenkritik. Die Last der Veränderung darf nicht individualisiert den einzelnen überlassen bleiben. Mehr dazu werden wir unter dem nächsten Tagesordnungspunkt diskutieren.
Zu den unterschiedlichen Ausbildungsgängen nehmen wir erst Stellung, wenn der zuständige Fachausschuss darüber beraten hat.

Letzten Sonntag wurde ich nach dem Gottesdienst von Studentinnen angesprochen. In der letzten Studienphase blicken sie auf die Zeit nach dem Examen. „Können wir in Württemberg überhaupt noch Vikariat machen, wenn jetzt alles gekürzt wird?“ Ich habe versichert, Synode und Oberkirchenrat stehen auch in Zeiten der Veränderung für eine bestmögliche Vikarsausbildung, und hoffe, das ist angekommen. Und ich hoffe, wir lösen es ein. Es zeigt aber einmal mehr, Beschlüsse sollten wir erst dann fassen, wenn zusammen mit den inhaltlich Verantwortlichen Konzepte entwickelt wurden – und nicht andersherum. Insofern können wir die bischöfliche Hochschätzung der Arbeit im Sonderausschuss nur sehr bedingt teilen.

Vom NOCH zum DENNOCH.

Das Dennoch unserer Hoffnung wird in den derzeitigen Krisen massiv angefochten. Klimakrise, Krieg in der Ukraine das alles wird zur existenziellen Anfrage. Das Konzept westlichen Lebens der letzten 80 Jahre, mit dem wir unser theologisches Denken und kirchliches Handeln eng verbunden haben, steht in Frage. Was ist falsch? Was ist richtig? Was hilft? Was trägt? Was können, was dürfen, was sind wir als Menschen? Was bedeutet die Hoffnung auf Gottes Reich? Was heißt Nachfolge Jesu heute?

Wie wir die Folgen der Coronakrise doch nicht nur am geringeren Zulauf spüren oder in der Begleitung unzähliger Long-Covid-Erkrankter, sondern vor allem in der massiven Infragestellung des menschlichen Egos, so greifen auch die anderen Krisen viel massiver nach uns, als wir es diskutieren. Die einen vertrauen ganz dem wissenschaftlichen Fortschritt und einem ökologisch abgefederten immer mehr, die anderen fordern vehementen Verzicht. Darum vielen Dank für den Freiheitsdiskurs im Bischofsbericht. Freiheit in alleiniger Abhängigkeit von Gott definiert sich eben anders als der liberale Freiheitsbegriff. Das muss neu gehoben werden. Da haben Christen viel zu sagen. Das muss auf allen Ebenen Thema sein, in Predigen, in Erwachsenenbildung und Unterricht und und und.

Der nötige theologische Diskurs darf jedoch nicht gegen ein entschlossenes Handeln in Stellung gebracht werden. Entschlossene Schritte für Klimaschutz sind dringender denn je, der Weltklimarat warnt diese Woche erneut und verstörend. Die OK wird sich in Diskurs und ein entschlossenes Handeln einbringen.


Philipp Jägle hielt das Votum für den Gesprächskreis Evangelium und Kirche

Votum für den Gesprächskreis Evangelium und Kirche

Philipp Jägle hielt das Votum für den Gesprächskreis Evangelium und Kirche, das Sie im Folgenden im Wortlaut finden:

Den ersten Bericht habe ich mit Freude erwartet, danke dafür, dass wir ihn schon vorab zum Durcharbeiten bekommen haben.

In den Schlaglichtern wird von den Begegnungen der ersten Wochen im Amt gesprochen. Und man spürt die Freude daran, am Zuhören, am Gespräch auch an der Debatte. Gut, dass das so ist.

Aufhorchen lassen hat uns das Schlaglicht „1.4. Macht Fehler“, in der Sie für eine Freiheit für Erprobung und Experimente werben. Ja, das brauchen wir und nicht nur in ausgewiesenen Erprobungsräumen, als Kreativitätsreservaten, sondern in der Breite unserer Gemeinden.

Und dass das geht und möglich ist, haben wir in den Herausforderungen der Pandemie erlebt. Da wurde landauf, landab so viel Neues einfach ausprobiert. Das sah je nach Temperament der Beteiligten unterschiedlich aus. Und es war nötig, weil es noch keine fertigen Rezepte gab und es war möglich, weil noch nicht alles bis ins Detail geregelt und normiert gewesen ist. Eine wertvolle Lektion.

Und dann der Teil über die verunsicherte Kirche, der beschreibt wiederum Erfahrungen und ja natürlich gibt es Verunsicherung.

Aber trotzdem: Das Wort Krise 10x auf zwei Seiten. Vor allen Dingen frage ich mich- was heißt das denn Krise? Das hat mich ins Nachdenken gebracht und beim Herumlesen bin ich auf eine Definition eines italienischen Soziologen gestoßen. Antonio Gramsci, der schrieb vor gut 100 Jahren von der Krise, als »Interregnum«, also als Zwischenzeit, in der »das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann«1. Das klingt hart, hat mir aber geholfen. Ich geh nachher noch mal drauf ein.

Die vordringlichen Aufgaben, die haben viel Kopfnicken und Zustimmung erfahren. Da benennen sie ganz zentrale Arbeitsfelder, die uns schon beschäftigt haben und die uns auch in Zukunft ins Nachdenken bringen werden.

Die Gemeinden als Herzkammern der Kirche, da brauchen wir dringend noch mehr gemeinsames Nachdenken darüber, wie wir uns Gemeinde vorstellen, was für uns die Essentials sind und welche Strukturen und Ressourcen Gemeinden brauchen, um so wesentlich Kirche sein zu können.

Ich würde sogar so weit gehen und sagen, bevor wir die Frage nicht geklärt haben, kommen wir mit dem Klärungsprozess Pfarrdienst auch nicht weiter. Und gleichzeitig tut es auch Not, dass wir uns wirklich gründlich miteinander Gedanken darüber machen und das auch explizieren, denn implizit geschieht das ja schon mit allen Entscheidungen, die wir zu Prioritäten und Einsparungen treffen. Jede davon stellt Weichen, die weit in die Zukunft reichen. Wir brauchen also dringend eine ausdrückliche Debatte darüber: Was ist für uns Gemeinde.

Das wird uns auch in der Frage nach dem Pfarrdienst helfen, wird doch die Gestalt der Gemeinde wesentlich den Auftrag der Pfarrerinnen und Pfarrer bestimmen, die in ihnen Dienst tun.

Stark war die Passage zu den alternativen Ausbildungszugängen ins Pfarramt. Ja, die Lebensentwürfe sind heute vielgestaltiger, als wir uns das früher vorstellen konnten oder auch nur gedacht haben. Und wir brauchen Menschen, die sich von ihrer Kirche in den Dienst nehmen lassen.

Wie dringend – das wird im Lauf dieser Tagung noch Gegenstand sein. Da hab ich eine ganz klare Befürwortung gehört: Ja, wir brauchen diese Menschen und gleichzeitig genauso klar: Weil der Dienst der Pfarrerinnen und Pfarrer so zentral ist, brauchen wir klare Qualifikationskriterien, um zu prüfen, ob eine Person von ihrer Ausbildung her für diesen Dienst geeignet ist.

Vielen Dank für das klare Votum zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. In den Bezirken und Gemeinden sind wir gerade dran, Konzepte zu erarbeiten, und das ist mühsam und kleinteilig. Da ist es wichtig immer wieder daran erinnert zu werden, dass es nicht einfach um ein weiteres Kapitel im Qualitätshandbuch geht, keine Fleißaufgabe, sondern um den Schutz jedes Menschen, der sich in den Räumen unserer Kirche bewegt.

Das betrifft uns -unser Menschen- und Gottesbild im Kern, darum ist es wichtig, das Bewusstsein dafür nicht zu verlieren.

Ich möchte noch einmal auf den Krisenbegriff von Antonio Gramsci zurückkommen: Zwischenzeit, in der das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann.

Das klingt furchtbar hart, aber ich denke nichts anderes erleben wir gerade.

Ja, wir sind gerade in einer Zeit der Abschiede. Auch im Bericht schwingt das an manchen Stellen mit, auch in der Traurigkeit darüber.

Wie sollte es auch anders sein, Sterben und Vergehen ohne Trauer ist für uns Menschen nur schwer denkbar, wenn überhaupt. Und wir müssen ehrlich sein und das benennen.

Aber das ist ja nur ein Teil. Das Neue kann noch nicht zur Welt kommen. Was heißt das?

Auf uns bezogen fehlt uns vielleicht das Bild. Das Ziel vor Augen. Wie wird denn unser neugeborener Kirchenleib aussehen?

Das ist eine Frage, auf die wir uns selbst nur bedingt eine Antwort geben können. Wir müssen es aber miteinander versuchen. Wir müssen es versuchen, damit wir nicht in der Trauer gelähmt verharren.

Manchmal kommt es mir gerade vor, als würden wir an einem Fallschirm hängen, fallen und wir ziehen an den Schnüren, unserem Pfarrplan und unseren Prioritätenlisten, und hoffen eigentlich nur, dass sich der Fall verlangsamt.

Wir brauchen das Ziel, müssen ein Ziel ins Auge nehmen. Dann haben wir die Chance, unseren Schirm zum Gleitschirm zu machen.

Dann geht’s immer noch nach unten, dann lässt sich die Gravitation nicht aufheben, aber wir haben die begründete Hoffnung an einem Ort rauszukommen, der uns angenehmer erscheint.

Die Zwischenzeit, in der das Alte stirbt und das Neue noch nicht geboren werden kann, das klingt doch eminent und ganz ausdrücklich österlich. Darum möchte ich mit begründeten Hoffnungs-Worten aus dem Johannesevangelium schließen:

Als es aber Morgen wurde, stand Jesus am Ufer.


Britta Gall hielt das Votum für den Gesprächskreis Kirche für morgenBild: Gottfried Stoppel

Votum für den Gesprächskreis Kirche für morgen

Britta Gall hielt das Votum für den Gesprächskreis Kirche für morgen, das Sie im Folgenden im Wortlaut finden:

Danke. Für Ihren Bericht.

Und für Ihre ersten Monate im Amt des Landesbischofs.

Wir von Kirche für morgen nehmen wahr, dass Sie diese Rolle mit Pragmatismus, Herz, Nahbarkeit und Präsenz ausfüllen und – wir finden‘s voll gut, was wir da wahrnehmen. 🙂

Das, liebe Geschwister, ist ein Birkensetzling. Die Birke gilt als DER Pionierbaum in unseren Breitengraden.

Ein Pionierwald entsteht nach einem Waldsterben. Der Wald, wie wir ihn kennen, stirbt. Die großen Monokulturen aus Fichten sind nicht resistent gegen Schädlinge und halten Dürreperioden, wie wir sie derzeit durch den Klimawandel häufiger haben, nicht gut aus.

DIESE Wälder sterben. Das Gute: Wald wird es IMMER geben! Er wird ANDERS aussehen, anders sein! An die Stelle der großen, alten, geraden, gleichförmigen Riesen treten andere Pflanzen, andere Bäume. Pionierbäume. Wie diese Birke.

Sie besiedeln schnell kahle Stellen und tauchen auch auf extremen Standorten auf. Unbekümmert streuen sie eine Fülle an Samen in die Welt, und sorgen damit für eine rasche Verbreitung ihrer Baumart. Dazu kommen dann Traubenkirschen, Salweiden, Espen, Lärchen… Sie begrünen eine kahle Fläche in unterschiedlichen Schattierungen, machen sie divers, machen sie lebendig. Ein neuer, frischer, ganz anderer Wald wächst.

Kirche wird es IMMER geben. Es wird immer Menschen geben, die von Gott herausgerufen sind, die miteinander Glaube leben, Glaube teilen, die gemeinsam am Reich Gottes bauen. Die Kirche Jesu Christi wird es IMMER geben!

Die Volkskirche wie wir sie heute kennen – mit ihrer Verfassung und ihren Verwaltungsstrukturen, mit ihren Parochien und Hierarchien, diese wird es vermutlich nicht in alle Zukunft so geben.

Kirche wird anders aussehen. Anders aussehen müssen, anders aussehen dürfen.

Kleiner, diverser, unterschiedlich geformt, unterschiedlich schattiert, anders gestaltet.

TRANSFORMIERT. Wir von Kirche für morgen glauben, TRANSFORMATION ist DIE große Herausforderung, vor der unsere Kirche derzeit steht! Es muss jetzt darum gehen, diese Transformation AKTIV zu gestalten. Wir müssen mehr gestalten und weniger verwalten.

Vielmehr an einem Umbau unseres Systems arbeiten und alles, was dorthin führt, als vordringlich einstufen, unterstützen und pflegen.

Natürlich müssen wir uns zum Ukraine-Krieg verhalten! Natürlich müssen wir den Klimaschutz verstärken! Und natürlich müssen wir weiterhin besser werden, was den Schutz vor sexualisierter Gewalt angeht!

Die 6 Punkte, die Sie beschrieben haben, Herr Gohl, sind wichtig und wir müssen uns intensiv damit beschäftigen, gleichzeitig dürfen wir uns als Kirche fragen: Was bringt uns in die Zukunft?

Ich stehe hier ja für Kirche für morgen. Und Kirche für morgen heißt ja nicht umsonst so. 🙂

Wir sind davon überzeugt, dass wir verstärkt die Transformation unserer Kirche vorantreiben sollten, wenn es „morgen“ noch eine Kirche geben soll.

Wir wollen von der Zukunft her denken und so handeln, dass der Boden für Pionierbäume bereitet ist. Dann werden wir Aufbrüche für den neuen Kirchenwald wachsen sehen!

Diese Aufbrüche können sein, dass wir neue Formen von Gemeinde wollen, zulassen und fördern!

Dass wir die Gründung neuer, zielgruppenorientierter Gemeinden innerhalb der Landeskirche außerhalb des parochialen Systems fördern und unterstützen! In der Zukunft wird die Parochie vielleicht keine große Rolle mehr spielen. Vielleicht spielt sie mancherorts heute schon keine große Rolle mehr.

Ja, natürlich müssen wir die Entwicklung der Kirchengemeinden stärken. Ja! Dabei darf es dann nicht nur darum gehen, Strukturen und Gebäude zu erhalten, sondern die Gemeinden im Gehen neuer Wege zu fördern und zu unterstützen:

Ermöglichen wir alternative Zugänge ins Pfarramt und neue Anstellungsformen für Pfarrerinnen und Pfarrer! Schaffen wir die Rahmenbedingungen dafür, dass multiprofessionelle Teams, oder Ehrenamtliche die die Organisation von Gottesdiensten und die Gemeindeleitung übernehmen!

Unbekümmert eine Fülle an Samen in die Welt streuen. Damit die beste Botschaft der Welt, das gute Evangelium, unter die Leute kommt.

Wie soll das konkret gehen, fragt ihr euch? HÖREND und BEIDHÄNDIG sollten wir unterwegs sein.

Als HÖRENDE KIRCHE hören wir WIRKLICH zu, was Pfarrerinnen und Pfarrer, Diakoninnen und Diakone brauchen, um gut und gerne ihren Dienst wahrnehmen zu können. Ja, „sie müssen stärker gehört werden!“ und ja, die Kommunikation MUSS verbessert werden – vor allem sollten wir ihnen zuhören. Was brauchen die jungen Menschen, die Theologie studieren heute, um gern und lang und gesund Pfarrerin und Pfarrer zu sein?!

Als hörende Kirche hören wir WIRKLICH zu, was die Gemeinden vor Ort brauchen, zu welchen Kirchenbezirken sie sich in Fusionsprozessen tatsächlich zugehörig fühlen.

Als hörende Kirche fragen wir: Was brauchen die Leute heute?

Hörend und beidhändig.

BEIDHÄNDIGKEIT, Ambidextrie müssen wir lernen um einen Kahlschlag des Kirchenwalds zu vermeiden. Den will ja auch niemand.

Eine zukunftsfähige Kirche braucht beides gleichzeitig: sowohl die Pflege der Tradition als auch die Entwicklung neuer Konzepte. Um beides zu können, ist es nötig, widersprüchliche Logiken und Haltungen gleichzeitig zu bedienen. Zuständigkeiten und Hierarchien werden durch die partizipativen, agilen Praktiken zunächst ergänzt. Sie ersetzen sie nicht oder nicht sofort.

Angesichts des Kirchenwaldsterbens brauchen wir nicht sofort Kahlschlag zu betreiben, sondern wir dürfen Ambidextrie lernen. Beidhändigkeit.

Das Gute bewahren und pflegen, aber eben NICHT „die Asche bewahren“, unnötig an Traditionen festhalten.

Hier zitiere ich gern meinen Dekan, der kürzlich meinte: „Traditionen sind wie Straßenlaternen. Es ist gut, dass es sie gibt, aber nur Betrunkene halten sich daran fest.“

Übrigens ist ein Pionierwald, wie er so entsteht, nur ein Übergangswald. Heißt: auch wenn wir jetzt noch nicht sehen, wie die Kirche der Zukunft aussehen wird, brauchen wir trotzdem mutige Schritte in den Übergang hinein!

Mutige, konkrete Schritte in den Übergang – dass sie solche aufzeigen, davon hätten wir uns in Ihrem Bericht, Herr Landesbischof, gern ein bisschen mehr gewünscht.

Aber wir sind guter Dinge, dass Sie mit dem eingangs erwähnten Herz und Pragmatismus auch diese angehen werden.

Das Feuer weitergeben – Ja! vorhandene, bereits aufflackernde Feuerchen schüren! Boden bereiten für Pionierbäume! Transformation – hörend und beidhändig – aktiv angehen.

Die Aussprache

In der Aussprache wies Dr. Harry Jungbauer (Heidenheim) darauf hin, dass im Bericht das Thema der zunehmenden Aggression und Gewalt in unserer Gesellschaft nicht benannt wurde. Er stellte die Frage, was die Kirche dagegen tun könne – diese Frage wolle er in die Gesprächskreise hineingeben.  

Siegfried Jahn (Blaufelden) dankte für die klare Positionierung zum Thema Ukraine-Krieg, er vermisste aber einen evangelischen Konsens dazu bzw. eine klare Positionierung sowie einen ökumenischen Konsens.  

Rainer Köpf (Weinstadt-Beutelsbach) begrüßte das Thema des Schutzes vor sexualisierter Gewalt und betonte, wie wichtig es sei, dass die Kirche an diesem Thema dranbleibe.  

Christiane Mörk (Brackenheim) ergänzte zum Stichwort “Macht Fehler”, dass sie viel Offenheit und Experimentierfreude bei den Mitarbeitenden in der Kirche sehe. Es mache sich aber Frustration breit über die Kirchenaustritte. Insgesamt brauche es mehr Ermutigung, mehr positive Presse.  

Aus Sicht von Prof. Dr. Martina Klärle (Weikersheim) spreche der Bericht die wichtigen Themen an; hinsichtlich des Themas Klimawandel betonte sie, dass die Landeskirche mit ihrem Klimaschutzgesetz schon weiter sei als andere Landeskirchen. Hier müsse man Mut haben, Fehler zuzulassen und dürfe nicht nachlassen. 

Thomas Burk (Löwenstein) appellierte, Gemeinden und Kirchenbezirken möglichst freien Gestaltungsraum lassen, im gemeinsamen Austausch auch zu lernen, wie Kirche in den nächsten Jahrzehnten funktionieren kann.  

Tobias Wörner (Stuttgart) erklärte, er habe den Eindruck, der Transformationsprozess stehe nicht oben an. Man müsse die Innovatoren schützen, das System auf allen Ebenen aufbohren.  

Chris Lehmann (Tübingen) betonte, dass es verschiedene Zugänge zum Pfarrdienst brauche. Auch nicht universitäre Hochschulen seien akademisch, theologische Vielfalt spiegele sich auch in der Tübinger Fakultät nicht wider. Er vermisse in der Ausbildung Ökumene, interkulturelle Theologie oder Missionswissenschaften.  

Martin Plümicke (Reutlingen) betonte, man dürfe sich nicht zurücklehnen und den Mitgliederrückgang auch nicht als Naturgesetz annehmen, sonst ginge der Blick für die anderen verloren. Kirche stehe in der Gefahr, selbstbezogen zu agieren, das sehe er in den anstehenden Kürzungsprozessen. Man solle immer fragen: Was bedeutet das für die anderen? Kirche müsse kreativ sein, zum Beispiel bei der Residenzpflicht, damit auch schwer zu besetzende Pfarrstellen besetzt werden könnten. 

Dr. Antje Fetzer-Kapolnek (Waiblingen) sagte, sie befürchte die Absenkung der Standards durch die Reduktion der Pfarrstellen. Sie schlug vor, Mitarbeitende und Renten aus einem Solidartopf zu finanzieren. 

Dr. Hans-Ulrich Probst (Tübingen) sagte, er höre aus dem Bischofsbericht einen Modus der Postarroganz heraus und begrüße die Feststellung, dass wir uns im Lebenswandel in Umkehr üben müssen. Er wünsche sich vom Landesbischof, in der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine auch querliegende Positionen in die öffentliche Debatte zu beachten, die von der Landeskirche geführt werde. 

Dr. Gabriele Schöll (Aalen) forderte auf, noch mehr auf die lebensschaffende Kraft Gottes und zu hoffen und hoffnungsvoll das tun, was möglich sei. 

Dr. Thomas Gerold (Bitz) betonte, es könne gelingen, mehr Menschen zu erreichen, wenn sie die religiöse Erfahrung machen können. Daran habe das Ehrenamt entscheidenden Anteil. 

Prof. Dr. Jürgen Kampmann (Vertreter der theologischen Fakultät Tübingen) betonte, in der Frage der Anerkennung von Studienleistungen nichtuniversitärer Hochschulen werde an der Tübinger Fakultät nach dem geltenden Recht verfahren. Diese Leistungen müssten nach Inhalt, Qualifikation und Profil den an der Universität zu erbringenden Leistungen entsprechen. Darüber bestehe Einvernehmen auf Ebene des Evangelischen Fakultätentags und der EKD. Über die Anerkennung könne nicht durch eine Synodalentscheidung allein in Württemberg befunden werden.  

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl betonte in seiner Antwort auf die Redebeiträge, man müsse darauf schauen, wie viel Wachstum im Kleinen geschehe und dies an der geistlichen Kraft messen. Zudem müsse in den Abschiedsprozessen auch Zeit für Trauer und Wut sein. In der Frage der Waffenlieferungen sei ihm wichtig, dass man sich in der Kirche nicht gegenseitig diffamiere, sondern sich in dieser schwierigen Dilemmasituation zuhöre. In der Frage alternativer Zugänge zum Pfarrdienst gehe es nicht um eine Wertung zwischen Hochschule und Universität. Gohl regte zudem an, darüber nachzudenken, wie man in Zukunft mit den vielen Beiräten in der Landeskirche umgehen könne, um Aufwand bei Haupt- und Ehrenamtlichen zu reduzieren. 

TOP 03 – Bericht des Landesbischofs – Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl

Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg ( https://www.elk-wue.de/index.php?type=13)
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