Frühjahrstagung 2024

Die Synodalen beim Eröffnungsgottesdienst in der Stiftskirche.Bild: Gottfried Stoppel

Zur Eröffnung der Frühjahrstagung feierten die Synodalen einen Gottesdienst, bei dem die Synodale und Pfarrerin Maike Sachs über Johannes 12, 24 predigte. Darin verdeutlichte sie, wenn man bereit sei loszulassen, wachse Neues. Hier finden Sie die Predigt im Volltext.

Jesus sagt: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Liebe Gottesdienstgemeinde, liebe Mitsynodale,

Loslassen ist schwer. Es muss ja nicht immer gleich ums Sterben gehen, wie in diesem Fall. Und doch steckt gerade im Bild vom Weizenkorn trotz allem Hoffnung. Denn in einem Samen ist Leben, Leben, das sogar den Tod überdauert. Jesus spricht also Klartext: Sein Weg führt ihn bis ans Äußerste. Er muss bis ans Äußerste gehen. Und er wird bis ans Äußerste gehen, damit das Leben eine Chance hat. Jesus erwartet nicht nur seinen Tod, er lädt ein, dem Leben zu vertrauen.

Der Abschnitt aus dem Johannesevangelium, den wir gehört haben, wirft einen Blick auf einen besonders spannenden Moment im Leben von Jesus. Jesus hat den Höhepunkt seiner Bekanntheit erreicht. Die Auferweckung von Lazarus in Bethanien wird zuvor berichtet und dann der Jubel der Menschen beim Einzug in Jerusalem. Jetzt, so erfahren wir, zeigen auch Menschen aus anderen Völkern Interesse an Jesus und seiner Botschaft.

Als Griechen werden sie hier bezeichnet. Es sind vermutlich Gottesfürchtige, Freunde des jüdischen Glaubens, die zum Passa-Fest nach Jerusalem gekommen sind. Ihr Auftreten ist ein Signal: Die Welt wird auf Jesus aufmerksam. Hier erlebt Jesus Bewunderung statt Ablehnung.

Die Fremden nähern sich Jesus vorsichtig. Erst fragen sie den Jünger Philippus. Doch auch Philippus ist unsicher. Er fragt noch Andreas, bevor sie beide zu Jesus gehen. Werden auch die Fremden zu Jesus vorgelassen? Die Antwort von Jesus überrascht: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“

Pfarrerin Maike Sachs hielt die Predigt.Bild: Gottfried Stoppel

Vordergründig beschreibt Jesus mit diesen Worten ein Prinzip aus der Natur: Wo etwas gesät ist, wächst etwas. Bei näherem Hinsehen wird klar: Jesus redet hier nicht von der Weizensaat, sondern von sich. Ich, Jesus, bin das Weizenkorn. Ich, Jesus, falle in die Erde und sterbe. Jesus wird eingeschlossen sein. Er wird sich selbst loslassen und seine Form verändern. Wie ein Weizenkorn, dass in die Erde fällt. Ob das Weizenkorn dann auch Frucht bringt, liegt nicht in seiner Hand. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt…“ Es geht ums Sterben. An Jesu Worten, an der ganzen Szene, ist nichts Romantisches.

Wer solche Weizenkorn-Momente selbst erlebt, versteht: Loslassen ist immer schwer. Kinder verlassen das Haus. Womöglich schlagen sie einen Weg ein, der den Eltern Sorge bereitet. Viele Menschen leben von einem Tag auf den anderen mit Einschränkungen.

Sie sind gestürzt, das Herz hat einige Momente ausgesetzt, sie sind erkrankt, und jetzt ist nichts mehr, wie es war.
Weizenkorn-Momente des Abschieds erleben wir alle, wenn wir Verantwortung abgeben und Jüngere unseren Platz einnehmen. Hoffentlich können wir dann loslassen und machen es denen, die nachkommen nicht zu schwer.

Nicht zuletzt in den großen Umbrüchen unserer Kirche merken wir, wie leicht es sich sagt und wie

schwer es ist, das Loslassen – bewährte Wege und Abläufe, geliebte Bilder und Traditionen, Menschen, Orte und vieles andere mehr. Die Veränderungen schmerzen.

Ob uns das Bild vom Weizenkorn hilft, zu hoffen und zu vertrauen? Ich denke schon. Denn nur auf den ersten Blick ist die Saat das Ende eines Korn. Das Leben im Korn bleibt ja. Lediglich Form und Größe, in die das Leben verpackt ist, sie verändern sich. Der Halm, der wächst, sieht völlig anders aus als das Korn. Erst das Korn auf der Ähre erinnert wieder an den Ursprung, wenn sich der Same vervielfacht hat.

Ich musste an die Versuche in der Grundschule mit dicken Bohnensamen denken. Die Kerne wurden in Watte gelegt und gewässert. Tag für Tag war zu beobachten, wie die Samen aufquellen, die Hülle irgendwann platzt und sich der Spross ans Licht schiebt. Und dann war klar: Der Same verändert sich und indem er sich verändert, schenkt der Samen neues Leben. Und ganz ehrlich – wir haben damals nicht um den Bohnenkern getrauert. Wir haben gestaunt über die Kraft, die das Leben hat.

Paulus bezieht dieses Prinzip von Säen und Wandel auf die Auferstehung, auf die wir selbst zugehen. Er schreibt an die Korinther „Wenn du Getreide aussäst, muss die Saat doch auch zuerst sterben, ehe neues Leben daraus entsteht. Und was du säst – Weizen oder sonst eine Getreideart –, hat nicht das Aussehen der künftigen Pflanze; es sind Samenkörner und weiter nichts. Aber wenn der Samen dann aufgeht und zur Pflanze wird, bekommt er eine neue Gestalt – die Gestalt, die ihm von Gott bestimmt ist.“ (1. Kor. 15,36-38, NGÜ)

Das Korn stirbt und gleichzeitig bleibt das Leben. Mehr noch: Ein Korn, das „ungesät“ bleibt, trocknet aus und verliert seine Kraft. Nur wenn das Korn stirbt, bleibt das Leben. Das ist die Botschaft des Weizenkorns. Dem neuen Leben kannst du trauen! Im tiefsten Sinne ist das eine Osterbotschaft. So wie das Ende des Weizenkorns einen neuen Anfang bedeutet, mischt sich in das tiefe Violett der Passionszeit schon mal ein wenig Weiß. Im Abschied leuchtet Hoffnung auf.

Vor vielen Jahren mussten mein Mann und ich in Albanien eine blühende Gemeindearbeit aufgeben. Das Land war politisch zu unruhig geworden. Erst gab es keine Gottesdienste mehr. Dann konnten wir kaum noch auf die Straße. In der Passionszeit hatten wir uns schließlich durchgerungen, Albanien zu verlassen. Mit bangem Herzen und mit der Frage, was bleibt.

Wenige Monate später hatte sich die Lage beruhigt und wir sind zurückgekehrt. Und wir haben gestaunt, was sich ohne uns alles getan hatte: Junge Leute hatten Verantwortung übernommen. Sie hatten die angstvollen Tage mit den Menschen geteilt. Jetzt waren sie bereit, beim Wiederaufbau zu helfen. Uns wurde klar: Es war gut, dass wir losgelassen hatten, unfreiwillig, ja, wir hatten losgelassen, weil wir gezwungen waren. Aber jetzt gab es neue Ideen, neue Kräfte und damit neues Leben.

Wie ist das möglich? Wie kann das sein, dass etwas lebt, von dem wir denken, dass es stirbt? Leben im Sterben ist möglich, weil der Schöpfer das Leben schenkt. Der Schöpfer schafft die Bedingungen, damit ein Same aufgehen, der Halm wachsen und dann Früchte tragen kann.

Jesus sagt einmal, dass es mit dem Evangelium nicht anders ist. Wenn der ausgestreute Same auf fruchtbaren Boden fällt, muss der Bauer nichts weiter tun. Er kann ruhig abwarten, sich auch mal schlafen legen. Der gute Boden tut das Seine, dass der Sämann eines Tages auch ernten kann.

So vertraut sich auch Jesus dem Vater an. Das Gespräch übers Weizenkorn mündet in ein Gebet. Jesus spricht mit dem Vater. Und der Vater antwortet! So berichtet es Johannes. Noch einmal wird klar, wie schwer Jesus das Sterben fällt. Zugleich erfahren wir, dass Jesus jetzt nicht allein ist. Jesus lässt sein Leben. Aber er legt es in die Hände des Vaters. Er befiehlt sich dem Schöpfer an, der seinen Weg vollenden wird. Jesus vertraut dem Gott des Lebens, der ihn gesandt und bevollmächtigt hat, der aus Karfreitag und Karsamstag Ostern werden lässt.

Deshalb, liebe Mitsynodale, beginnen wir unsere Tagungen mit einem Gottesdienst und jede Sitzung mit einer Andacht. Wir erinnern uns daran, dass wir unsere Arbeit immer wieder Gott anvertrauen müssen. Seine Schöpferkraft ist lebensnotwendig für unsere Arbeit. Andachten und Gottesdienst entlasten uns. Wir sind nicht allein am Werk. Zwar sind wir mit Kraft, Weisheit und Fantasie gefragt, trotzdem können wir das Überleben nur zu einem kleinen Teil fördern.

Der Boden lässt sich aufbrechen und düngen. Der Same muss ausgestreut werden. Das tun wir nach wie vor kräftig, täglich und an unzähligen Orten. Dass der Same weiterlebt, dass die Wachstumschancen gut sind, darum bitten wir den Herrn des Lebens. Ihm vertrauen wir. Wir vertrauen dem Herrn, der von sich im Angesicht des Todes sagt: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben. Auch, wenn er stirbt.

Jesus ist nicht gekommen, um der Welt himmlische Almosen zu bringen, er hat sich selbst gegeben. Jesus war bereit, den Weg des Weizenkorns zu gehen. Von der Frucht, die aus Jesu Hingabe erwachsen ist, leben wir heute als Kirche: vom Evangelium der Gnade, von der Gabe des Heiligen Geistes und von der Liebe, die Menschen befähigt, ihrerseits Eigenes loszulassen. Aus dem einen Samenkorn ist die Vielfalt unserer weltweiten Kirche geworden. Jesus hatte den Tod vor Augen. Wir sehen die Frucht. Wir sehen das Leben.

In der weltweiten Kirche und in unserer württembergischen Kirche ist durch die Jahrhunderte manches gestorben. Dafür ist Neue gewachsen. Jedes Mal haben Menschen losgelassen. Weil sie wollten, oder weil sie mussten. In allem Loslassen haben wir guten Grund, dem Leben zu trauen und zu hoffen, dass auch weiterhin, aus dem Abschied, aus dem Samenkorn Gutes wächst.

Amen.

Quelle: Evangelische Landeskirche Württemberg ( https://www.elk-wue.de/index.php?type=13)
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Dieser Beitrag verfällt am 15. September 2024.