Lieber Volker, alter Freund!

Koch meint…

Es drängt mich danach, diese Zeilen hier zu schreiben. Obwohl ich gerade erst eine Pressemitteilung freigegeben habe mit der Überschrift: „Dekan Professor Dr. Volker Drehsen ist gestorben“. Aber dem Tod eines alten Freundes wird man nicht schon dadurch gerecht, dass man bei einem offiziellen Nachruf auf Punkt und Komma achtet. Dabei hast du, lieber Volker, diesen Nachruf und die wertschätzenden Worte zum Beispiel unseres Landesbischofs natürlich redlich verdient. Aber eben auch noch ein ganz persönliches Dankeschön von mir.

Wofür? Für eine kurze, aber für mich wichtige Freundschaft, die damals Anfang der achtziger Jahre zwischen uns entstanden ist. Als wir beide an der Universität Tübingen zusammengearbeitet haben – du als Assistent, ich als Hilfswissenschaftler. Wobei der Abstand zwischen uns größer gewesen ist als der, welcher zwischen diesen beiden Funktionen liegt. Weil du bereits warst, was ich auch später nie geworden bin: ein durch und durch versierter Theologe. Trotzdem haben wir zueinander gefunden und zusammen mit der Sekretärin unseres Professors – ich habe doch glatt ihren Namen vergessen – ein ziemlich eigenartiges Trio gebildet. Das statt am Schreibtisch lieber in der Küche zu endlosen Gesprächen zusammensaß sowie zu einer Tasse Kaffee nach der andern und – das freilich ohne mich – zu viel zu vielen Zigaretten. Ab und an sind wir abends dann auch noch in der Weinstube Unkel gleich nebenan gelandet. Was für mich das Ende, für dich dagegen der Anfang eines Arbeitstages war. Der du die Nacht zum Tag gemacht und am liebsten, wenn es draußen dunkel war, über deiner Wissenschaft gebrütet hast.

Im Fußball würde man nicht ohne Bewunderung sagen, dass du damals ein bisschen ein „schlampiges Genie“ gewesen bist. Das aber genialisch genug war, mir in einer halben Stunde so viel Schleiermacher beizubringen, wie für eine mündliche Prüfung nötig war. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich ohne dich mein Examen je bestanden hätte. Vielleicht bist du ja sogar eine Art Lebensretter für mich gewesen. Wobei du Ähnliches im Blick auf dich auch einmal von mir geschrieben hast. Was natürlich übertrieben war. Gleichwohl habe ich diesen kleinen Warnschuss tatsächlich abgegeben: dass schlampige Genies oft genug ihr Talent vergeuden. Du hast die Kurve gekriegt.

Schade, dass sich unsere Wege getrennt und sich in den Jahren danach nie wieder gekreuzt haben! Bis jetzt zu deinem Tod, wo ich darauf geachtet habe, dass dieser Satz von Landesbischof July auch wirklich zwischen An- und Ausführungszeichen zu stehen kam: „In seinen Predigten – auch als Frühprediger an der Tübinger Stiftskirche – verband Drehsen seine fundierten Kenntnisse der Soziologie mit seiner tiefen Verwurzelung im Bekenntnis der evangelischen Kirche.“

Wie gesagt: Solche und andere Würdigungen hat der verstorbene Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen redlich verdient. Während ich mir selber nur eines wünsche: dass es auch im Himmel eine kleine Küche für dich und die Sekretärin, deren Name ich vergessen habe, und für mich geben möge. Ich hätte dir nämlich vieles zu erzählen – und mein bisschen Schleiermacher habe ich auch längst wieder vergessen.

Lieber Volker, alter Freund: von Herzen danke und Gott befohlen! Und dann auf ‘ne Tasse Kaffee – später einmal!

Das meint Koch. Und was meinen Sie?

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