Koch meint…
Vor ein paar Wochen hat ein Leser von „Koch meint“ kritisiert, dass die Christenverfolgung hier nicht vorkommen würde: „Warum sagen Sie dazu nichts? Ist das zu gefährlich, weil nicht mainstreamkonform?“
An der ersten Frage ist etwas dran, nicht dagegen an der zweiten. Weil die Unterlassungssünde nichts mit Mainstream und Gefahr zu tun hat, sondern mit Distanz: Das Thema Christenverfolgung ist für viele von uns so weit weg wie der irre Kaiser Nero des Schauspielers Peter Ustinov, der Rom in Schutt und Asche legen und anschließend Christen als die angeblich Schuldigen ins Gefängnis werfen ließ. Das war in „Quo vadis?“ aus dem Jahr 1951 beziehungsweise in Wirklichkeit 64 nach Christi Geburt. Wobei das zwar eine Erklärung, aber natürlich keine Entschuldigung ist für das Ignorieren der Verfolgung von Christen heute.
Gut darum, dass es den weltweiten Gebetstag für verfolgte Christen gibt! Der in diesem Jahr am 4. März auf dem Kalender steht und mit zwei schlimmen Zahlen aufhorchen lässt: Drei Viertel all derer, die wegen ihres Glaubens benachteiligt und verfolgt werden, sind Christen, und das weltweit bis zu 120 Millionen. Dabei haben es Menschen dort besonders schwer, wo der Islam Staatsreligion ist. Weshalb der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, vor kurzem vor einem „menschenrechtlichen Winter“ gerade in jenen Ländern gewarnt hat, die im vergangenen Jahr den so genannten „Arabischen Frühling“ erleben durften. Dort hätten die politischen Umwälzungen zwar neue Freiheiten hervorgebracht. Nicht zuletzt die christliche Minderheit wäre aber beispielsweise in Tunesien zunehmend behördlicher Willkür und Diskriminierung ausgesetzt.
Was tun? Auf jeden Fall fortführen, was bei uns gesellschaftlicher Konsens geworden und doch stets gefährdet ist, wie die jüngst aufgeklärten Morde der Neonaziszene zeigen: dass wir niemand und also auch keine Muslime wegen ihres Glaubens ausgrenzen, benachteiligen oder in welcher Form auch immer diskriminieren. Aber dazu muss weit selbstverständlicher als bisher etwas Zweites kommen, nämlich die Forderung „Wie ich dir, so du mir“. Was nichts anderes heißt, als dass Kirchen und Politik gemeinsam und mit aller Entschiedenheit in jenen Ländern, wo Christen verfolgt werden, auf eine Änderung der Verhältnisse hinzuwirken versuchen. Wobei die dafür nötigen deutlichen Worte keinesfalls irgendwelchen ökonomischen oder sonstigen Interessen geopfert werden dürfen. Und was konkret die Türkei anbelangt, braucht man über deren Beitritt zur Europäischen Union ernsthaft doch überhaupt nicht zu reden, solange nicht auch dort jene religiöse Toleranz herrscht, die zu einem modernen Europa unverzichtbar dazugehört.
Hoffen wir, dass Nikolaus Schneider auch das gemeint hat, wenn er sagt: „Neben unserer politischen Unterstützung und dem menschenrechtlichen Einsatz für die Religionsfreiheit brauchen diese Glaubensgeschwister vor allem unsere Solidarität.“ Und unser Beten, möchte man im Blick auf den Gebetstag für verfolgte Christen am 4. März ergänzen.
Das meint Koch. Und was meinen Sie?