Koch meint…
Das hier geht nur persönlich und fängt so an: Eigentlich mag ich nicht mehr. Mag nicht mehr politisch tätig sein, wenn es einem keiner dankt und es stattdessen nur noch Prügel setzt. Aber wenn es keine Politiker mehr gibt, wer soll sich dann noch um das Gemeinwohl kümmern?
Jedenfalls mache ich das mit dem kommunalpolitischen Ehrenamt nun schon ziemlich lange, und ein Doppeltes fällt mir dabei auf. Zum einen: Die Bürger sind mündiger geworden über die Jahre und lassen sich nicht mehr alles gefallen. Was auch gut so ist. Zum andern: Diese Mündigkeit geht einher mit einer zunehmenden Eindimensionalität des Denkens und Handelns. Und das ist ein Problem. Anders ausgedrückt: Im gesellschaftlichen Spannungsfeld von Einzel- und Gemeinwohl kommt besagter mündiger Bürger mehr und mehr nur noch im eigenen Vorgarten zu stehen, während ihm das große Ganze aus dem Blick gerät. Die Folge: Gerade die Politik vor Ort löst sich in Einzelteile auf und erliegt nicht immer, aber immer öfter der Gefahr des Populismus. Den der Bürger zwar im Grundsatz verachtet, aber im Blick auf sich selbst durchaus zu schätzen weiß. Diese Entwicklung gibt Anlass zur Sorge.
Ein Zweites kommt hinzu, und das ist dann fast zuviel des nicht so Guten: Gerade wegen ihrer eindimensionalen Perspektive verwechseln viele Bürger die Politik mit einem Wunschkonzert. Und wehe, wenn sie nicht spielt, wie gewünscht! Dann werden ihr unlautere Motive unterstellt, ihre Protagonisten bekommen das Etikett der Ignoranz angeheftet, und Prädikate wie „beschämend“ et cetera machen in Leserbriefen und so die Runde – eine moderne Form des Prangers, an dem Politiker heute schneller stehen als Sträflinge damals auf den Galeeren. Warum um alles in der Welt aber soll sich das einer auf Dauer antun, und das auch noch im Ehrenamt?
Nicht dass die Politik ohne Fehl und Tadel wäre! Aber deswegen muss man sie doch nicht gleich mit Spott, Häme, Wut und Drohungen überziehen! Wie wär’s stattdessen mit einem sachlichen Gespräch? Und mit der Bereitschaft, beides in Rechnung zu stellen und gegeneinander abzuwägen: das Gemeinwohl wie das Einzelwohl? Nur mit dem zweiten Auge zu sehen und auf dem ersten blind zu sein, macht den Mut-, Wut- und Drohbürger von heute jedenfalls nicht per se zum besseren Menschen.
„Suchet der Stadt Bestes!“, so lautet der klassische Gemeinwohlsatz der Bibel. Wobei der Kirchenlehrer Thomas von Aquin den Propheten Jeremia sogar noch toppt: „Es ist unmöglich, dass ein Mensch gut sei, außer er stehe im rechten Bezug zum gemeinen Wohl.“ So weit muss man ja gar nicht gehen. Ich selber jedenfalls hätte schon dann wieder mehr Lust auf Politik, wenn sich besagter mündiger Bürger ab und an aus seinem Vorgarten sagen wir mal auf den Marktplatz führen ließe. Weil man da eine andere Perspektive hat, einander vielleicht auch besser versteht und sich deshalb auch nicht mehr beschimpfen muss.
Oder will man es doch so weit kommen lassen, dass es irgendwann keine Politiker mehr gibt, und schon gar keine im Ehrenamt? Aber wer soll sich dann noch um das Gemeinwohl kümmern?
Das meint Koch. Und was meinen Sie?