Kirchen Ost und West: Dankbar vereint, unterschiedlich geprägt

Gab es auch Kritik an der raschen Vereinigung der beiden Kirchen?

Bräuer: Bald nach dem Mauerfall im November 1989 hatte die evangelische Kirche auf die Einheit zugearbeitet. Schon im Januar 1990 trafen sich in der Evangelischen Akademie Loccum bei Hannover Beauftragte von EKD und Kirchenbund. „Die besondere Gemeinschaft der evangelischen Christenheit in Deutschland ist trotz der Spaltung des Landes und der organisatorischen Trennung der Kirche lebendig geblieben“, hieß es in ihrer Loccumer Erklärung, in der sie zur raschen Überwindung sowohl der kirchlichen als auch der staatlichen Teilung aufriefen. Die Teilnehmer des Treffens in Loccum beteuerten, mit den „während der Zeit der Trennung gewachsenen Erfahrungen und Unterschieden“ sorgsam umgehen zu wollen.

Ihr klares Votum zur raschen Vereinigung blieb nicht unwidersprochen: In einer Berliner Erklärung äußerten prominente Theologen im Februar 1990 Bedenken, und im November 1990 stritt die westdeutsche EKD-Synode in Timmendorfer Strand noch einmal über das Für und Wider. Doch die Dynamik der Geschichte beeinflusste auch die Protestanten: Seit Juli 1990 gab es bereits eine gemeinsame Währung, seit dem 3. Oktober nur noch einen Staat.

Wie war damals die Stimmung?

Bräuer: Im Februar 1991 tagten die beiden Kirchenparlamente letztmalig getrennt in Berlin: die EKD in Spandau, der Kirchenbund in Weißensee. Im Osten kochten noch einmal Emotionen hoch: Von „Eingliederung und Anschluss“ war die Rede. Letztlich stimmten aber beide Synoden mit großer Mehrheit für das Kirchengesetz zur Vereinigung. Nach der Ratifizierung durch die östlichen Landessynoden trat im Juni in Coburg die neue EKD-Synode gesamtdeutsch zusammen „nüchtern und dankbar“ vereint, wie ihr Vorsitzender Jürgen Schmude resümierte. Bekannt wurde der Satz, den Pfarrer Axel Noack, der spätere Bischof in Magdeburg, im Jahr 2016 in der Zeitschrift „zeitzeichen“ äußerte: „Wir aus dem Osten haben auf manche im Westen ja exotisch gewirkt. Wir sind politisch-ethisch oft links und zugleich fromm gewesen.“ Die EKD wuchs 1991 von 16 auf 24 Landeskirchen mit 29,2 Millionen Mitgliedern an und sie veränderte sich auch.

Wurden ostdeutsche Themen ausreichend berücksichtigt?

Bräuer: Vor allem über die Militärseelsorge, den staatlichen Religionsunterricht sowie die Stasi-Belastung kirchlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurde gestritten. Das heißeste Eisen war sicher die Militärseelsorge. Die Kirchen der DDR wollten nicht, dass die Pfarrer für die Zeit ihrer Militärseelsorge wie im Westen Beamte des Staates werden. Dahinter stand das in 40 Jahren gewachsene tiefsitzende Misstrauen gegen alle enge Verbundenheit mit dem Staat. Schließlich fand sich ein Kompromiss. In Ostdeutschland blieb es für eine Übergangszeit bis 2003 möglich, dass Militärseelsorger Pfarrer ihrer Landeskirche bleiben. Seitdem gilt im Osten das westdeutsche Modell. Ende Juni 1991 kam nach langen Verhandlungen seit 1961 erstmals auch wieder eine gesamtdeutsche Synode zusammen, der Kirchenvertreter aus damals allen 24 evangelischen Landeskirchen angehörten.

Quelle: Evangelische Kirche in Deutschland: Nachrichten ( http://www.ekd.de/rss/editorials.xml)
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