Eine Tasse Kaffee für die Integration

Koch meint…

Am Anfang dieser Zeilen muss eine kleine Beichte stehen: Ich bin ein notorischer Sonntagsarbeiter, wenn auch nicht freiwillig und aus Passion, sondern gezwungenermaßen. Weil von Montag bis Samstag so viel liegen bleibt, dass ich es unmöglich unerledigt mit in die neue Woche nehmen kann. Gründe dafür gibt es genug. Nur tun die hier nichts zur Sache.

Als Sonntagsarbeiter bin ich bei uns im Haus aber nicht allein. Meist sind wir zu zweit: der junge türkische Mann, der die Büros putzt, und ich. Dabei haben wir uns im Lauf der Zeit quasi angefreundet. Was nicht ganz einfach war und ist: Er spricht nämlich nicht wirklich gut Deutsch, und mir hilft mein Englisch, Latein, Altgriechisch und Hebräisch auch nicht weiter. Aber man kann sich ja auch ohne viele Worte gut verstehen. Jedenfalls freue ich mich jedes Mal, wenn er kommt, und bin fast ein bisschen traurig, wenn er das mit dem Putzen schon zu einem anderen Zeitpunkt erledigt hat. Umgekehrt scheint auch er darüber nicht unglücklich zu sein, wenn im Raum 111 an einem Sonntag gearbeitet wird. Und unsere Arbeit dann von einer Tasse Kaffee unterbrochen wird. Die bei uns in der Zwischenzeit zum sonntäglichen Ritual gehört. Wobei er den seinen nicht etwa schwarz, sondern mit Milch und Zucker trinkt. Wie ich auch, allerdings minus den Zucker.

Neulich nun hat er bei einer Tasse Kaffee alle seine Deutschkenntnisse mutig zusammengenommen und mir von eben diesem Kaffee erzählt: wie ihn seine Kolleginnen und Kollegen darum beneideten, weil es so etwas an ihren Arbeitsplätzen nicht gäbe und ohnehin keiner mit ihnen sprechen würde. Dass es ihm bei uns da ganz anders erginge, könnten sie deshalb gar nicht glauben. Mit meinen Worten ausgedrückt.

Ehrlich gesagt bin ich in dem Augenblick ein bisschen stolz darauf gewesen, dass er das so von mir und uns berichten konnte. Vor allem aber war ich beschämt. Weil ich das nicht für möglich gehalten hätte, dass es so etwas immer noch gibt: eine Zweiklassengesellschaft aus denen, die das Sagen haben, und jenen, mit denen man nicht spricht geschweige denn einen Kaffee trinkt, weil sie ja bloß türkische Putzkräfte sind. Ohne die aber landauf, landab nichts wirklich geht: weder im Büro noch in den Krankenhäusern noch bei der Stadtreinigung oder der Müllabfuhr. Alles Rollen, auf die wir unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger natürlich nicht reduzieren sollten. Respekt aber haben sie, auch wenn sie „nur“ solches tun, auf jeden Fall verdient. Anders ausgedrückt: Integration zu fordern ist das eine, sie zu leben das andere. Und manchmal fängt Integration ganz einfach mit einer Tasse Kaffee an.

Übrigens weiß ich jetzt auch immer, wann Ramadan ist. Weil ich da meinen türkischen Sonntagsarbeitsfreund gar nicht zu fragen brauche, ob er einen Kaffee möchte. Wobei wir beide unsere Freundschaft vielleicht doch besser samstags pflegen sollten. Das mit dem Sonntag ist auf Dauer nämlich nichts, weder für ihn noch für mich. Hat ja schon Gott gewusst.

Das meint Koch. Und was meinen Sie?


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