1. Johannes 1,1-4

Was von allem Anfang an da war, was wir gehört haben, was wir mit eigenen Augen gesehen haben, was wir angeschaut haben und betastet haben mit unseren Händen, nämlich das Wort, das Leben bringt – davon schreiben wir euch.

Das Leben ist offenbar geworden, und wir haben es gesehen; wir sind Zeugen dafür und berichten euch von dem unvergänglichen Leben, das beim Vater war und sich uns offenbart hat.

Was wir so gesehen und gehört haben, das verkünden wir wir euch, damit ihr in Gemeinschaft mit uns verbunden seid. Und die Gemeinschaft, die uns miteinander verbindet, ist zugleich Gemeinschaft mit dem Vater und mit Jesus Christus, seinem Sohn. Das erfüllt uns mit großer Freude. Und wir schreiben euch diesen Brief, damit unsere Freude vollkommen wird.

Einleitung

Liebe Gemeinde,

Weihnachten ist vorbei, das Warten hat schließich doch ein Ende gehabt. Wir haben sie wieder gehört: die Weihnachtslieder; wir haben sie gesehen: die Krippe mit den kleinen Krippenfiguren, haben den Duft der Weihnachtsbäckerei und der Tannennadeln gerochen, wir haben die Geschenke erst vorsichtig von außen betastet, dann neugierig das Geschenkpapier entfernt.

Dies alles sind ganz sinnliche, reale Eindrücke, die Menschen mit Weihnachten in Verbindung bringen. Wenn man fragt: was lieben Sie an Weihnachten, was bedeutet ihnen Weihnachten? dann bekommt man meistens solche oder ähnliche Antworten. Mit solchen realen Eindrücken können wohl auch die meisten Menschen in der heutigen Zeit etwas anfangen: mit Sachen, die man sehen kann, die man hören kann, die man schmecken und tasten kann.

Ganz andere Antworten dagegen bekommt man, wenn man nach dem Sinn von Weihnachten, nach der Botschaft fragt, die sich hinter diesem Fest verbirgt und die tausendfach in den Festtagen von Kanzeln und Rednerpulten verkündigt wird. Dann heißt es: „Wissen Sie, Herr Pfarrer, das alles ist mir zu hoch, zu abstrakt, dieser christliche Glaube. Davon kann ich mir nichts kaufen. Da werden immer nur schöne Worte gemacht, aber mit meinem Leben hat das nichts zu tun.“ So redet ein 50jähriger Unternehmer.

„Ich geh lieber am Sonntag morgen ins Fußballtraining. Da kann ich laufen, mich bewegen, da bin ich ganz dabei. In der Kirche muß man immer still sitzen, da ist es langweilig, da gibt es nichts, was für mich interessant ist.“, sagt der 14jährige Konfirmand.

„Für den Gottesdienst habe ich keine Zeit, die Predigt ist meistens auch unverständlich und hat mit meinem Alltag als Frau und Mutter nichts zu tun. Ich habe zwei kleine Kinder zu versorgen, da habe ich andere Probleme als mich um den Glauben zu kümmern.“, meint eine 25jährige Frau.

Und wir? Ist uns der Glaube, das Wort Gottes, die Predigt, die Bibel, die Geschichten von Jesus, das Wort vom Leben – ist uns das alles auch fad geworden? Sitzen wir die Sonntage nur noch ab? Erreicht uns dieses Wort noch oder haben auch wir längst den Eindruck gewonnen, den nach neuesten Umfragen großer Meinungsforschungsinstitute die meisten Menschen in unserem Land haben: die Botschaft von Jesus, von der Vergebung habe keine Relevanz mehr für das Leben der Menschen? Sie sei abgehoben und weltfremd? – Jesus allein zu Haus, so titelt ein großes deutsches Wochenmagazin in seiner Weihnachtsausgabe.

Liebe Gemeinde, unser heutiger Predigttext redet eine andere Sprache. Er spricht davon, daß dieses Wort vom Leben etwas ganz reales, etwas sinnliches ist. Dieses Lebenswort, das in unseren Kirchen, in unseren Gemeindehäusern verkündigt wird, ist hörbar, sichtbar, faßbar und schmeckbar:

Hören, sehen, betasten

Was von allem Anfang an da war, was wir gehört haben, was wir mit eigenen Augen gesehen haben, was wir angeschaut haben und betastet haben mit unseren Händen, nämlich das Wort, das Leben bringt – davon schreiben wir euch.

Erinnern Sie sich an die Schriftlesung? Simeon, der alte Mann: mit eigenen Augen will er den Retter sehen, den Gott versprochen hatte. Eher will er nicht sterben. Es reicht ihm nicht, daß andere ihm davon erzählen, nein, er will ihn mit eigenen Augen sehen. Erst dann kann Simeon Frieden finden.

Und was Simeon da gesehen hat, war kein Hirngespinst, war kein Wesen aus einer anderen Welt. Als er den kleinen Jesus auf seine Arme nahm, hat er einen festen kleinen Babypopo gefühlt, genauso real und wirklich wie der von Selina, die wir eben getauft haben.

Jesus war ein waschechter Mensch, mit allem was dazugehört. Man konnte sich mit ihm unterhalten, ihm die Hand geben, seine Stimme hören und sehen, was er tat.

Er hat waschechte Kranke und Blinde, Krüppel und Lahme geheilt. Er hat gegessen und getrunken, geschlafen und geweint. Er war ein Mensch wie wir und gerade deshalb kennt er unser Leben, kennt er unsere Probleme und unsere Freude, unsere Träume und unsere Hoffnungen, die kleinen und die großen, mit denen wir uns an das Leben klammern und uns manchmal mit ihnen belügen.

Das Wort, das Jesus spricht, sagt er zu wirklichen Menschen. Die Botschaft, die er bringt, gilt uns, sie redet mitten hinein in unser Leben. Jesus will etwas zu tun haben mit unserem Leben.

In Afrika erzählt man sich: Ein alter Mann glaubte an Gott. Jemand wollte sich über ihn lustig machen. Er fragte: „Woher weißt du, daß es einen Gott gibt?“ Der alte Mann antwortete: „Woher weiß ich, ob ein Mensch oder ein Hund oder ein Esel nachts um meine Hütte gegangen ist? An den Spuren im Sand sehe ich es. Auch in meinem Leben sind Spuren eingedrückt. Spuren Gottes.

Liebe Gemeinde, es kommt darauf an, daß ich in meinem Leben diese Spuren sehen lerne. Es gibt sie und Gott hat sie mir hinterlassen, daß ich mich aufmache und an ihnen entlanggehe. Ich halte fest: Gottes Wort, seine Botschaft an mich ist sinnlich erfahrbar und will etwas mit meinem Leben zu tun haben.

Doch dieses Wort ist nicht vom Himmel gefallen. Es wurde und wird bis heute von Menschen an Menschen weitergegeben:

Das Leben ist offenbar geworden

Das Leben ist offenbar geworden, und wir haben es gesehen; wir sind Zeugen dafür und berichten euch von dem unvergänglichen Leben, das beim Vater war und sich uns offenbart hat.

Zeugen brauchen wir für dieses Wort. Es reicht nicht aus, wenn die Botschaft von Jesus nur im Religionsunterricht, im Konfirmandenunterricht oder im Gottesdienst vom Pfarrer weitergegeben wird. Nein, wir brauchen Zeugen in jeder Familie, jeder Clique, jedem Verein, jedem Betrieb.

Deshalb wurden bei der Taufe von Selina Sperling ganz bewußt die Eltern und Paten angesprochen. Das Wort Gottes, die Geschichten von Jesus wollen weitergegeben werden durch das mündliche Wort, hörbar, sichtbar, in dem ich mit meinen Kindern bete, ihnen von Jesus erzähle und ihnen nicht vorenthalte, worauf ich mein Leben setze, was für mich der Sinn des Lebens ist. Von Eltern zu Kindern, von Paten zu Patenkindern will diese Botschaft weiterwachsen. Gott will uns Menschen dafür einsetzen und dafür gebrauchen, daß wir sein Wort sinnlich erfahrbar an andere Menschen weitergeben.

Liebe Gemeinde, ich halte fest: Gottes Wort, seine Botschaft an mich ist sinnlich erfahrbar und will etwas mit meinem Leben zu tun haben. Gott will sein Wort durch Menschen wie mich menschlich weitergeben.

Wenn dieses Wort auf diese Weise erfahrbar weitergegeben wird, dann entsteht etwas neues, eine neue Gemeinschaft, zu der sich Menschen deshalb hingezogen fühlen, weil sie sich darin wiederfinden, weil sie mit Leib und Seele darin vorkommen:

Gemeinschaft mit Gott als Basis unserer Gemeinde

Was wir so gesehen und gehört haben, das verkünden wir euch, damit ihr in Gemeinschaft mit uns verbunden seid. Und die Gemeinschaft, die uns miteinander verbindet, ist zugleich Gemeinschaft mit dem Vater und mit Jesus Christus, seinem Sohn. Das erfüllt uns mit großer Freude. Und wir schreiben euch diesen Brief, damit unsere Freude vollkommen wird.

Christsein ist nicht eine stille Privatbeschäftigung am heimischen Herd. Der Glaube, der etwas von Gott erfahren hat, etwas erlebt hat, der möchte sich mitteilen, der drängt zur Gemeinschaft. Glaube an Christus bleibt nicht allein. Gottes Sohn kam auf diese Erde, damit die Menschen von ihm und seiner Botschaft erfahren. Und diese Botschaft kommt nicht leer zurück. Wer sie verkündet, wird ein Echo bekommen.

Das ist der Grund, warum sich unzählige Hauskreise, Bibelkreise, Mütterkreise, Jungscharen, Konfirmandengruppen, Mitarbeitertreffs, Jugendtreffs in unseren Kirchen gebildet haben und irgendwann zu Freundeskreisen geworden sind. Gerade hier in Weinsberg gibt es genug Beispiele dafür: Wer zur Gemeinschaft im Glauben gefunden hat, der erfährt auch Gemeinschaft im Leben, Hilfe und Anteilnahme, der hat Menschen, die für ihn da sind.

Darum ist die Basis und die Grundlage jeder christlichen Gemeinde die Gemeinschaft im Glauben, die Gemeinschaft mit Gott. Wir erfahren sie sinnlich, leiblich, wenn wir das Abendmahl feiern. Dabei muß und darf es nicht bierernst zugehen. Da darf die Freude sichtbar werden, die in einer solchen Gemeinschaft zu finden ist. Deshalb haben wir in unseren Gottesdiensten gerade bei der Feier des Abendmahls noch viel zu lernen.

Liebe Gemeinde, ich halte fest: Gottes Wort, seine Botschaft an mich ist sinnlich erfahrbar und will etwas mit meinem Leben zu tun haben. Gott will sein Wort durch Menschen wie mich menschlich weitergeben. Durch dieses Wort werden unterschiedliche Menschen zu einer Gemeinschaft verbunden, die sie trägt, im Leben und im Sterben.

Möge Gott schenken, daß wir alle in unserem Leben Spuren Gottes finden, und von dem, was wir gehört, gesehen und betastet haben, an andere Menschen weitergeben in der Gemeinschaft der Christen. Amen.

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